Biergarten als kinderfreie Zone?

Darf ein Wirt Teile seines Betriebes nur für Erwachsene freigeben? In Düsseldorf ist darüber eine hitzige Debatte entbrannt
Frank Christiansen |
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Kinderfreie Zone in einem Biergarten in Düsseldorf.
dpa Kinderfreie Zone in einem Biergarten in Düsseldorf.

Darf ein Wirt Teile seines Betriebes nur für Erwachsene freigeben? In Düsseldorf ist darüber eine hitzige Debatte entbrannt.

Düsseldorf - Liegestühle, Sonnenschirme, weiße Sandlandschaft mit Rheinblick. Idylle pur. Doch das Schild des Anstoßes ist unübersehbar: „Keine Kinder – Keine Hunde“ heißt es da – ergänzt durch entsprechend deutliche Symbolbilder. Nach acht Jahren hat der Düsseldorfer Biergarten „Sonnendeck“ seinen Strandbereich zur kinderfreien Ruhezone erklärt. Die Maßnahme sorgt nun für erhitzte Diskussionen von Gegnern und Befürwortern.

„Das Schild gefällt mir auch nicht. Ich habe selbst drei Kinder. Aber so ging es einfach nicht weiter“, sagt Wirt Patrick Weiss. Schuld sei vor allem ein bestimmter Typ Eltern: „Die haben einfach zugesehen, wie ihre Kleinen andere Gäste mit Sand beworfen haben. Wenn die Kinder hier 20 Aschenbecher und Gläser mit Sand füllen, Schlamm auf den Bänken verteilen und die Mütter meinen, das ginge sie nichts an, muss ich eben die Konsequenzen ziehen.“

Den Vorwurf der Kinderfeindlichkeit weist der Wirt zurück

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: „Es ist einfach nur enttäuschend und traurig, dass Kinder mit Hunden gleichgesetzt werden und dass wir als Familie ausgegrenzt und umzäunt werden. Das ist unfassbar!“, empört sich eine Mutter auf der Facebook-Seite des Biergartens.

Wirt Weiss gibt derweil zu, dass seine Maßnahme auch einen wirtschaftlichen Hintergrund hat: „Wenn die Familien da mitgebrachte Speisen und Getränke ausgepackt haben und ich in dem Bereich nur zehn Euro Umsatz am Tag habe, muss ich mir etwas einfallen lassen.“ Auch die Sicherheit sah er nicht gewährleistet: „Hier haben schon Kinder in der Küche gestanden oder ein anderes Mal eine Palme angezündet. Wenn da was passiert, bin ich doch schuld.“

Den Vorwurf der Kinderfeindlichkeit will Vater Weiss nicht auf sich sitzen lassen: „Wir haben hier extra einen neuen Spielplatz gebaut.“ Doch der scheint vor allem den Müttern nicht zu gefallen: „Unser Sohn geht nicht auf umzäunte Spielplätze“, schreibt eine. Der Sandbereich mit der neuen Ruhezone ist zwar auch umzäunt, aber das scheint nicht zu stören.

Der Fall erinnert an den „Kulturkampf“, der vor drei Jahren im Prenzlauer Berg in Berlin ausbrach, als ein Café-Betreiber seinen Laden zur kinderwagenfreien Zone erklärte und der böse Begriff der „Latte-Macchiato-Mütter“ die Runde machte.

Rechtlich gesehen ist die kinderfreie Zone wohl kein Problem

Rechtlich scheint dies zulässig. So bekam ein Hotelbetreiber, der keine Kinder mehr beherbergen wollte, vor Gericht grünes Licht. Sonnendeck-Betreiber Weiss scheint fest entschlossen, seine Sache durchzuziehen. Erwachsene hätten genauso ein Recht auf eigene Bereiche wie Kinder: „Ich setze mich auch nicht mit einem Kasten Bier und einer Stange Zigaretten auf einen Spielplatz.“

Mit den Schildern sei die Situation viel besser geworden. „Klar gab es Beschwerden: ‘Wir kommen nie wieder‘. Aber wir bleiben da höflich: „Sie können gerne nie wieder kommen.“

Und welche Erfahrungen in Sachen Kinderfreundlichkeit haben Sie in Münchner Biergärten gemacht, liebe Leserinnen und Leser? Bitte schreiben Sie an leserforum@az-muenchen.de oder nutzen Sie die Kommentarfunktion unten.

AZ-Redakteurin Verena Lehner ist gegen kinderfreie Zonen in Biergärten:

Ja, ich gebe es zu. Auch ich bin oft angenervt von lärmenden Kindern, die ihren Bewegungsmangel am Tisch neben mir ausgleichen, während ich mir mein Feierabendbier schmecken lasse. Aber eine kinderfreie Zone? Das geht zu weit. Ganz ehrlich: Wer Ruhe und Erholung sucht, der sollte nicht in einen Biergarten gehen. Da wird gelacht, geratscht, angestoßen, gestritten, diskutiert – und es toben Kinder herum.

Das Problem, das der Düsseldorfer Wirt beschreibt, nämlich, dass viele Eltern ihren Kindern einfach keine Grenzen mehr setzen, ist ein anderes – und das wird nicht mit kinderfreien Zonen gelöst.

Was ist so schlimm daran, Eltern am Nachbartisch freundlich darauf hinzuweisen, wenn der Sprössling gerade etwas zu laut ist? Aber das macht man nicht, geht einen ja schließlich nix an. Es ist viel einfacher, hintenherum über die „verzogenen Fratzen“ zu schimpfen, als eventuell ein bisschen anzuecken. Aber vielleicht haben wir Glück und das mit den kinderfreien Zonen erledigt sich bald von selbst. Schließlich werden immer weniger Kinder geboren. Und solche Schilder am Biergarten machen die Entscheidung für Nachwuchs nicht wirklich einfacher.

AZ-Redakteurin Rosemarie Vielreicher ist für kinderfreie Zonen in Biergärten:

Nein, ich habe generell nichts gegen Kinder. Ich wohne Tür an Tür zu einem Kindergarten und freue mich jedes Mal, wenn die Kleinen dort an einem schönen Tag im Garten toben können. Das ist oft auch laut. Das ist okay, ist ja auch ein Kindergarten.

Aber: Muss das auch in einem Biergarten sein, wo sich Erwachsene, zum Beispiel nach einem anstrengenden Bürotag, eine Halbe gönnen und sich in Ruhe unterhalten möchten? Müssen dann Kinder durch die Reihen laufen und herumbrüllen? Nein, das muss nicht sein. Deswegen ist die kinderfreie Zone ein gutes Angebot. Als solches verstehe ich es auch – und auf keinen Fall als generelles Verbot von Kindern in Biergärten. Der Wirt in Düsseldorf bietet nun eben auch kinderlosen Kunden ein ruhiges Platzerl an. Familienfreundliche Angebote gibt es doch auch – müsste ich mich als Single ohne Kinder darüber dann nicht auch aufregen oder mich diskriminiert fühlen?

Das von Müttern angeprangerte Verbotsschild, das Tiere und Kinder auf eine Ebene stellt, ist allerdings von dem Gastronom wahrlich nicht gut gewählt. Mein Vorschlag: Statt einem Kinder-Verbotsschild ein positives „Erwachsene unter sich“.

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