Bestialischer U-Boot-Bauer Madsen - Mord an Kim Wall: Was man hätte ahnen können - Gespräch mit Psychiater Norbert Nedopil

U-Boot-Bauer Madsen – erst bewundert, jetzt als mutmaßlicher Killer vor Gericht. Der Münchner Gerichtspsychiater Norbert Nedopil über die Entwicklung einer solch brutalen Gewalttat.
von  Werner Stingl
Der Gerichtspsychologe Norbert Nedopil (Archivbild)
Der Gerichtspsychologe Norbert Nedopil (Archivbild) © dpa

Der Termin steht nun fest: Am 8. März soll der Prozess in dem bestialischen Mordfall Kim Wall beginnen, der nicht nur Dänemark, sondern die ganze Welt erschüttert hat. Angeklagt ist U-Boot- und Raketenbauer Peter Madsen, Technikbastler und Autodidakt, der bis August 2017 für seine Leistungen im ganzen Land bewundert und verehrt wurde.

Inzwischen aber glaubt man, es besser zu wissen: Den aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge soll er die Journalistin Wall nicht nur ermordet, zerstückelt und danach dem Meer übergeben haben, sondern in der Abgeschiedenheit seines U-Bootes zuvor auf brutalste Art und Weise gefesselt, gefoltert und sexuell missbraucht haben. Alle Indizien sprechen dafür, dass der prominente Tüftler der Täter und sein U-Boot der Tatort ist. Doch wie kann es sein, dass die – mutmaßliche – Ersttat eines bislang völlig unauffälligen Menschen in ein derart monströses Delikt ausartet? Hätte sich eine solche Tat im Vorfeld nicht deutlich ankündigen müssen?

Die AZ sprach darüber mit dem gefragten Gerichtspsychiater Professor Norbert Nedopil, von 1992 bis 2016 Leiter der Forensik an der Psychiatrischen Klinik der LMU-München.
Der Experte wendet zwar ein, dass er Tathergang und Beschuldigten nur aus der Presse kenne. Man könne aber recht sicher sagen, dass eine solche Tat praktisch nie ohne Vorzeichen geschieht. Nur gelinge es den Tätern meist, diese Vorzeichen vor anderen zu verbergen.
Sie wirkten meist unauffällig und gut angepasst, sympathisch, teils sehr souverän, so Nedopil. Ihre Phantasie werde jedoch oft schon Jahre vor einer Tat von der Vorstellung einer solchen beherrscht.
Diese triebhaften Phantasien von Folter und Mord werden allerdings von den meisten der davon Geplagten nie in eine reale Tat umgesetzt. Es bleibt bei der Vorstellung. Selbst wenn jemand ein perverses Kapitalverbrechen schon scheinbar definitiv plant, vielleicht sogar einen Tatort ins Auge gefasst und Folter- und Mordwerkzeuge besorgt hat, muss die Ausführung einer Tat nicht zwingend bevorstehen, sagt Nedopil. Oft seien solche handfesten Planungen nur strategische Mittel, einen neuen Kick ins Kopfkino zu bringen.
Wenn dann doch die Grenze von der phantasierten zur realen Tat überschritten wird, muss das Gericht die für eine Strafbemessung relevante Frage klären, ob diese Grenzüberschreitung vorsätzlich begangen wurde – oder ob der Täter durch die spontane Besonderheit einer Situation von einem Kontrollverlust überwältigt wurde. Womöglich hätte Kim Wall ein Treffen mit Peter Madsen an jedem anderen Ort ohne jegliches Anzeichen drohender Gewalt überlebt – jenseits der absoluten Abgeschiedenheit seines abgetauchten U-Bootes. Womöglich hätte sie ein ganz normales Interview gemacht und nie erahnt, welche horrible Zeitbombe im intelligenten Gehirn ihres Gegenübers tickte.


Das war geschehen

Kim Wall: Zersägt und über Bord geworfen

Am 10. August 2017 war die Investigativjournalistin Kim Wall († 30) für eine Recherche mit Peter Madsen an Bord seines U-Boots „Nautilus“ gegangen. Später fand man ihre zerstückelte Leiche im Meer und das offenbar versenkte U-Boot. Madsen, damals 46, sagte erst, er habe Wall im Kopenhagener Hafengebiet abgesetzt. Später sprach er von einem Unfall an Bord und davon, die Leiche zersägt und ins Wasser geworfen zu haben.

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