Besiegt by a Stranger

Lena geht leer aus. Die Sieger kommen aus Aserbaidschan  – ein politisch eher heikles Veranstaltungsland.  
von  mh
Lena verneigt sich vor ihren Nachfolgern, den Siegern des Eurovision Song Contest 2011: Das Duo
Ell/Nikki
Lena verneigt sich vor ihren Nachfolgern, den Siegern des Eurovision Song Contest 2011: Das Duo Ell/Nikki © dapd

 

Lena geht leer aus – die Überraschungssieger kommen aus dem Kaukasus. Damit wird der nächste ESC in Aserbaidschan stattfinden – ein politisch eher heikles Veranstaltungsland.

Düsseldorf - Sogar geistlicher Beistand war gefragt. „Was wäre unser Leben ohne solche Augenblicke, in denen wir unseren Herzschlag so richtig spüren“, sagte der katholische Pastor Gereon Alter im „Wort zum Sonntag“, das – ein Novum – am Rande des „Eurovision Song Contestes“ aus Düsseldorf gesendet wurde. Und auch Lena schien himmlische Hilfe herbeizuflehen. Sie möchte gerne Theologie studieren, hatte sie kurz vor dem Wettbewerb in einem ihrer zahlreichen Interviews gesagt: „Ich finde das total interessant.“ Doch es nutzte ihr nicht so richtig.

Am Schluss landete Li-La- Lena lediglich auf einem achtbaren Platz. Gewinner waren zu diesem Zeitpunkt andere: Die Veranstalter von ESC, die eine wirklich großartige Show hingelegt hatten; das souveräne Moderatoren-Trio Anke Engelke, Judith Rakers und Stefan Raab; aber vor allem die Überraschungssieger, das Duo Ell/Nikki aus Aserbaidschan mit ihrem eher harmlosen „Running Scared“ .

Sieger ist damit auch der ferne Kaukasus-Staat, in dessen Hauptstadt Baku der Song Contest imnächsten Jahr stattfinden wird – ein nicht ganz unheikler Veranstaltungsort.

Zwar gilt der islamisch geprägte Staat wegen seiner riesigen Gas- und Ölvorkommen im Westen als wichtiger Wirtschaftspartner. Doch nicht nur internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die politische Führung in Baku mit Willkürjustiz gegen Oppositionelle vorgeht und die Entwicklung freier Medien unterdrückt. Das Auswärtige Amt in Berlin spricht ebenfalls von einer schwierigen Situation der Demokratieund Menschrechte. Zur Anreise zum ESC 2012 werden die Fans zudem Visa benötigen.


Auch wegen der Sicherheit von Reisenden gibt es im Auswärtigen Amt durchaus Bedenken. Für Reisen im Lande wird empfohlen, Wertsachen nicht zur Schau zu stellen, nach Einbruch der Dunkelheit möglichst nicht alleine zu Fuß unterwegs zu sein, nur offizielle Taxis zu benutzen, Taxis nicht mit Fremden zu teilen und in der Umgebung von Bars, die von Ausländern frequentiert werden, erhöhte Vorsicht walten zu lassen – wegen der häufigen Überfälle.

Noch im Siegestaumel versuchte Sänger Ell, der mit vollem Namen Eldar Gasimov heißt, die Bedenken gegen sein Heimatland zu zerstreuen. Er zeigte sich überzeugt davon, dass sich die ESC-Fans nächstes Jahr in Aserbaidschan wohlfühlen werden.

„Ich denke es wird großartig“, sagte er. Seine Heimat sei ein europäisches Land und werde sich seinen Gästen auch dementsprechend präsentieren. Auch die große homosexuelle Anhängerschaft des Song Contesteswerde willkommen sein – bisher können homosexuelle Paare festgesetzt und erst gegen Zahlung eines Geldbetrages wieder freigelassen werden.

Es wird auf jeden Fall eine große Herausforderung für die Organisatoren in Baku werden – vor allem auch, weil Düsseldorf die ESC-Messlatte sehr hoch gelegt hat. Seit Tagen herrschte in der Rhein-Metropole ausgelassene Party-Stimmung, Fans aus den Teilnehmerländern feierten friedlich gemeinsam.


36 000 in der Arena und 120Millionen vor den Fernsehschirmen (allein in Deutschland saßen 13,8 Millionen vor den TV-Schirmen) waren überwiegend begeistert – allein schon von der Optik der Show.

Besonderer Hingucker war die über 1000 Quadratmeter große LED-Leinwand hinter der meist in blaues Licht getauchten Bühne. Sie gestaltete das Bühnenbild mit bunten Animationen und visuellen Effekten entscheidend mit. Zudem gab es immer wieder Pyrotechnik, Feuerfontänen und Konfettiregen.

Um 22.15 Uhr wird der Jubel in der Halle und auf den vielen Public-Viewing-Plätzen in ganz Deutschland noch ein paar Phon lauter: Lena beginnt mit ihrem Song „Taken by a stranger“. Passend zu dem etwas mystischen Text ist Lena rund um die Augen dunkel geschminkt und trägt einen schwarzen Einteiler mit tiefem Dekollete und einem breiten schwarzen Gürtel.

Aus der unbekümmerten, leicht abgedrehten Vorjahressiegerin ist ein sexy Vamp geworden, mit verruchtem Augenaufschlag und lasziven Bewegungen. Doch in den Interviews hinterher ist Lena wieder ganz die Alte.

Kein bisschen enttäuscht über ihr Abschneiden plappert sie gewohnt drauflos: „Ich bin auf Wolke 2000“ und „Es ist für mich überhaupt kein Problem, auch mal Mittelmaß oder schlecht zu sein.“ Noch in diesem Jahr will sie wieder auf Tournee gehen, allerdings nicht mehr durch die Arenen, sondern durch Clubs und kleinere Hallen. Vielleicht gelingt es ihr, sich eine feste Fangemeinde zu erhalten. Das wäre ihr zu gönnen.

 

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