BER und Paris-Nachbau: Neue Buch Archiflop zeigt Sünden der Architektur

Berlin - Dass nicht immer alles so hinhaut, wie man sich das vorstellt, kennen wir in Deutschland ja. (Wann der erste Flieger vom BER abhebt, kann an dieser Stelle immer noch nicht abschließend geklärt werden). Aber es gibt Trost: Auch andere Länder haben sich verplant, verspekuliert, verbaut. Und zwar mitunter gewaltig.
Ob eine Paris-Kopie, die nahezu von allen Straßen abgeschnitten ist, ein Vergnügungspark nahe einer Nervengasfabrik, der teuerste Kernreaktor der Welt, der niemals fertig gebaut wurde – ja, Bau-Pannen gibt es so einige.
Das Buch "Archiflop. Die spektakulärsten Ruinen der modernen Architektur" hat sich auf die Suche nach genau solchen geplatzten Visionen des 20. Jahrhunderts bis heute gemacht. Die Gründe für das Scheitern sind ganz unterschiedlich: Es ging zum Beispiel das Geld aus, die Besucher blieben aus oder die Architektur hatte schlichtweg gravierende Mängel. Wie es nun mal so ist im Leben: Nicht alles haut hin.
Japan: Kinderpark neben Suizid-Wald
Verwaister Park: Die Figur des Lemuel Gulliver aus dem Roman Gullivers Reisen ist 45 Meter lang und ist die Hauptattraktion gewesen. Foto: "Archiflop", Medavia
Ein Vergnügungspark für Kinder direkt neben einem Wald, der für seine hohe Suizidrate bekannt ist, zudem in der Nähe einer Nervengasfabrik und auch noch nahe eines Sekten-Treffpunkts – mal ehrlich: nicht ganz optimal. Aber auch sonst stand "Gullivers Kingdom" im japanischen Kamikuishiki in der Region Aokigahara unter keinem guten Stern. Eröffnet wurde das Projekt im Jahr 1997, geschlossen bereits vier Jahre später.
Die Gründe: Die Besucher blieben aus und die Bank, die sich an dem Park beteiligt hatte, ging Konkurs. Doch wer kauft sich einen insolventen Themenpark? Die Antwort: niemand. Der Park stand mehrmals zur Versteigerung. Die stolze Summe, die dafür zunächst angesetzt wurde: 3,1 Milliarden Yen. 2008 versuchte man noch einmal eine Versteigerung, dieses Mal nur noch für eine Milliarde Yen. Die Auktion ging zu Ende ohne einen einzigen Interessenten.
Die größte Attraktion des Parks war die riesige Gulliver-Statue (45 Meter lang, im Zentrum des Parks liegend). 2007 wurde der Park zurückgebaut, weil sich dort nur noch Vandalen und der ein oder andere Stadterkunder aufhielten.
Apropos gescheiterte Vergnügungsparks: So einen gibt’s auch in Deutschland. Das einzige deutsche Pannen-Projekt in "Archiflop" ist der Spreepark der früheren DDR. Auch hier lief es nicht rund: Erst kamen immer weniger Menschen, dann ging der Park insolvent, keiner wollte ihn ersteigern, er wurde 2001 endgültig zum Geisterort.
Japan: Die illegale Disneyland-Kopie
Die Dreamland-Achterbahn im Dornröschen-Schlaf. Foto: Dawid Gusiak
Vom Dreamland zum Albtraum: Das geplante Disneyland Japans in der Stadt Nara wurde 1961 gebaut. Der Macher hatte allerdings nicht bedacht, dass das Original-Disneyland vielleicht nicht ganz so glücklich über die exakte Kopie sein würde.
Obwohl der Park schon fast fertig war, konnten sich Disney und der Japan-Ableger nicht auf Lizenzgebühren für die Figuren einigen. Schnell mussten eigene Maskottchen und Figuren her, doch nach der rechtlichen Panne folgte auch die wirtschaftliche: In Tokio eröffnete ein echtes Disneyland. Seit 2006 ist Dreamland völlig zugewuchert.
Taiwan: Urlaub in Ufos
Das futuristische Projekt ist abgerissen worden. Foto: Jauder Ho/Getty Images
Urlaub in einem Ufo-Haus? Die Idee war vielleicht zu abgehoben. In Taiwan, genauer gesagt im Distrikt Sanzhi in Taipeh, hat man 1978 mit dem futuristischen Bau begonnen, 1980 gerieten die Arbeiten bereits ins Stocken und 30 Jahre später, 2008, hat man das Projekt endgültig beerdigt, sprich: abgerissen.
Finanzielle Schwierigkeiten klingen wohl ein bisserl fad, deswegen haben die Taiwaner ganz eigene mysteriöse Erklärungen für das Scheitern des Projektes. Eine ist zum Beispiel diese: Eine chinesische Drachen-Statue sei durch den Bau verärgert worden und habe Unglück über die Häuser gebracht. Eine andere Legende besagt: Auf dem Gelände sind holländische Soldaten begraben, ihre Seelen wurden durch den Ufo-Bau gestört. Aha.
China: Geisterstadt mit Eiffelturm
Ein Bauer bearbeitet Felder, daneben der Eiffelturm. Foto: China Foto Press via GettyImages
Paris, Stadt der Liebe. Paris, Stadt der Leere. Zumindest trifft das auf die Nachbildung Tianducheng in China zu. Dort hat man 2007 in der Provinz Zhejiang begonnen, die französische Hauptstadt nachzubauen. Inklusive Eiffelturm, den Gärten von Versailles und unter anderem auch mit einem Platz namens Champs-Élysée.
10.000 Menschen könnten dort leben. Das Problem: Nur 1.000 Chinesen tun es tatsächlich. Denn das chinesische Paris ist so abgelegen inmitten von Feldern geplant, dass es kaum über Straßen erreichbar ist. Die Läden und Lokale in der Geisterstadt sind bis heute nicht vermietet, die sehr teuren Wohnungen verkommen zu Baracken. Nur der Eiffelturm hält die Stellung.
Brasilien: Pannen-Turm
Das Projekt ist nach Abraham Lincoln benannt. Foto: Fabio Motta/dpa/Corbis
Ein Turm, 110 Meter hoch, 37 Stockwerke: Die Vision haben in Rio alles nichts gebracht: Nach Konstruktionsprobleme 1972 folgten weitere Pannen: 250 von 454 Wohnungen sind verkauft, aber nicht fertig. Bis heute nicht.
Krim: Reaktor-Ruine
Der verwaiste Reaktor auf der Krim. Foto: Alexander Zaitsev
Immerhin: Ins Guinness Buch der Rekorde hat es das Kernkraftwerk auf der Krim geschafft: als teuerster Reaktor der Welt. Der Haken: Das Projekt (Baubeginn: 1982; mehrere Milliarden Rubel teuer) wurde niemals fertig. Die Gründe sind vielfältig: Die ökonomische Situation der Halbinsel war schon damals instabil, die Proteste nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 riesig.
Alessandro Biamonti: ArchiFlop. Gescheiterte Visionen. Die spektakulärsten Ruinen der modernen Architektur; DVA, 29,95 Euro.