Benedikt XVI.: Das Ende einer Ära

In den sieben Jahren seiner Amtszeit hat Benedikt keine großen Reformen angestoßen. Er hatte mit Affären zu kämpfen und er hat Erwartungen enttäuscht.  
von  Matthias Maus

In den sieben Jahren seiner Amtszeit hat Benedikt keine großen Reformen angestoßen. Er hatte mit Affären zu kämpfen und er hat Erwartungen enttäuscht

München - Er ist kein Mann der großen Auftritte. Er mochte das nie, als Joseph Ratzinger nicht, auch nicht als Papst. Deshalb passt es, dass er die größte Sensation der jüngeren Kirchen-Geschichte bei einem Routine-Termin bekanntgab.

Der Papst wollte eine Reihe von Heiligsprechungen vor Kardinälen verkünden. Doch die „Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche“, die er auf Latein bekanntgab, schlug ein wie der Blitz aus heiterem Himmel. „Ich muss mein Unvermögen erkennen,“ sagte der 85-Jährige.

Es ist das Ende einer Ära, aber war es auch das Ende eines wichtigen Kapitels der Kirchegeschichte? Sieben Jahre Pontifikat waren dafür wohl zu kurz. Der erste Deutsche auf dem Stuhl Petri nach 482 Jahren war auch nicht der große Veränderer. „Benedikt ist nicht gewählt worden um das Steuer des Kirchenschiffs herumzureißen, sagte Ratzinger-Schüler Wolfgang Beinert: „Er hat eine im wesentlichen konservative Persönlichkeitsstruktur.“ Veränderungen sind nicht seine Sache.

Was aber nicht heißt, dass der Mann aus Marktl nicht wirkte. Allerdings auch nicht immer glücklich. Man hätte ihm vielleicht besser zuhören, ihn besser beoabachten müssen, dann wäre die Überraschung nicht ganz so groß gewesen. Den einzigen Vorgänger im Amt, der wie er zurücktrat, bewunderte Benedikt. 2009 ließ er seine päpstliche Stola, das Pallium am Sarkophag von Coelestin V. 

Und in einem Interview mit dem deutschen Journalisten Peter Seewald formulierte Benedikt erst 2010 die Bedinungen für einen Rücktritt des Papstes: „Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten.“ Das klang damals theoretisch, aber Benedikt meinte es ernst.

Wichtig war ihm noch eines: „In einer friedlichen Minute“ solle diese Entscheidung fallen, keineswegs unter Druck: „Wenn die Gefahr groß ist, darf man nicht davonlaufen.“ Man kann das als Hinweis verstehen, dass der Papst die katholische Kirche in gutem Zustand sieht. Das kann man aber ganz anders sehen.

Als „einfacher Arbeiter im Weinberg des Herren“ bezeichnete sich Benedikt in seiner kurzen Rede am 19. April 2005. Gerade war er zum Nachfolger des charismatischen Johannes Paul II gewählt worden. Eine Überraschung eigentlich, denn als Vorsitzender der Glaubenskongregation war Ratzinger seit 1981 einer der einflussreichsten Männer hinter dem Woityla-Papst. Und als „graue Eminenz“ wird man nicht populär. Als strenger Dogmatiker, der Reformtheologen schulmeistert, erwarb sich der brillante Theologieprofessor den wenig schmeichelhaften Ruf als „Panzer-Kardinal“ oder „Inquisitor“.

Im Jahr 2000 versetzte er der Ökumene einen schweren Schlag mit dem Papier „Dominus Iesus“, in der „andere christliche Gemeinschaften nicht als „Kirche im eigentlichen Sinn“ bezeichnet werden. Dabei hatte junge Theologe Ratzinger als Reformer begonnen. Er war einer der jüngsten Teilnehmer des Vatikanischen Konzils, das von 1962 bis 1965 im Auftrag von Papst Johannes XXIII: die Kirche öffnete. Mit in der Delegation des Kölner Kardinal Josef Frings war auch Ratzinger Studienfreund Hans Küng. Die beiden wurden später erbitterte Gegner.

Doch die Achtundsechziger Bewegung schockierte Ratzinger, er wurde zum Konservativen. Das blieb er im Amt des Münchner Erzbischofs, das er sehr liebte. Als er vergangenes Jahr, anlässlich seines 85. Geburtstags gefragt wurde, wie er sich das Paradies vorstellt, das sagte er spontan: „Meine Oberbayerische Heimat“. Die Bayern dankten ihm die Zuneigung. Ein riesiger Pilgerzug von 800 Trachtlern besuchte ihn vergangenen Sommer. Da fühlte sich Benedikt sichtlich wohl in Rom.

Das war nicht immer so. Gleich nach seiner Papstwahl gab es Ärger. In seiner Regensburger Rede verprellte er 2006 die Muslime, als er einen König zititere, der am Propheten Mohammed „nur Schlechtes und Inhumanes“ sehen konnte. Dann rehabilitierte die Pius-Brüder, darunter den Holocaust-Leugner Richard Williamson. Das gilt als klassisches Eigentor. Hoffnungen, er werde den Zölibat oder die Sexualmoral der Kirche refomieren, wollte Benedikt nie erfüllen.

Dazu kamen die zahlreichen Missbrauchsfälle. In den USA und in Irland, in Italien und in Deutschland wurden Kinder missbraucht. Es war die tiefste Krise der Kirche, der Papst sprach von „Sünde in der Kirche“. Er bat um Vergebung und sprach von „Null Toleranz“. Aufgearbeitet sind die Fälle bei weitem nicht.

Zu alle diesen Krisen kam der Fall Vatileaks. Hinter den Kulissen den Vatikan bekaämpften sich verscheidene Fraktionen. In seinem im Mai 2012 erschienenen Buch „Seine Heiligkeit – Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI“ schrieb der Journalist Gianluigi Nuzzi über Machtkämpfe, Intrigen und Skandale in den höchsten Führungszirkeln des Vatikans. Offenbar hatte Nuzzi für seine Ausführungen eine interne Quelle gehabt. Wenige Wochen später wurde der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele festgenommen. Er sollte vertrauliche Dokumente vom privaten Schreibtisch des Papstes gestohlen habe. Gabriele wurde zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt, aber in einer vorweihnachtlichen Geste vom Papst begnadigt. Es war die letzte große Geste vor dem Rücktritt.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.