Ben Stiller im Dschungel der Peinlichkeiten

Für seine Kriegsfilm-Persiflage «Tropic Thunder» hat Ben Stiller zahlreiche Starkollegen rekrutiert. Proteste von US-Behindertengruppen machten den Hype um die Komödie perfekt. Viel Lärm um nichts, meint Julia Wilczok.
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Ben Stiller, Robert Downey Jr und Jack Black (v.r.n.l) in 'Tropic Thunder'
nz Ben Stiller, Robert Downey Jr und Jack Black (v.r.n.l) in 'Tropic Thunder'

Für seine Kriegsfilm-Persiflage «Tropic Thunder» hat Ben Stiller zahlreiche Starkollegen rekrutiert. Proteste von US-Behindertengruppen machten den Hype um die Komödie perfekt. Viel Lärm um nichts, meint Julia Wilczok.

Ben Stiller liegt am Boden eines Dschungels in Südostasien. Eine Granate hat ihm gerade die Hände zerfetzt. An den Enden seiner Unterarme hängen blutige Fetzen. Bei seinem ebenfalls verwundeten Kameraden sieht es nicht besser aus. Der versucht unverdrossen, das herausquillende Gedärm zurück in den Bauchraum zu stopfen. Im Kinosaal herrscht Stille, vereinzelt ertönt ein Huster. «Darf ich lachen?», fragt sich offenbar manch ein Zuschauer. Denn was auf der Leinwand zu sehen ist, ist nicht etwa ein Kriegsepos, sondern Ben Stillers ebenso groß angekündigtes wie umstrittenes Komödien-Spektakel «Tropic Thunder». Ein Film, in dem Stiller nicht nur Vietnamkriegsfilme, sondern alles und jeden in der Traumfabrik aufs Korn nimmt.

Stiller spielt in der Komödie den abgehalfterten Hollywoodstar Tugg Speedman, dessen Stern nach dem Flop der Behinderten-Komödie «Simple Jack» zu verblassen droht. Dabei sollte der Film ihm doch eigentlich den Weg ins Charakterfach ebnen. Um seine Karriere zu retten nimmt Speedman eine Rolle im teuersten Vietnam-Drama aller Zeiten an, für das auch eine Reihe durchgeknallter Kollegen vor der Kamera steht. Darunter der fünffache Oscarpreisträger Kirk Lazarus (Robert Downey Jr.), der sich für die Dreharbeiten die Haut dunkel pigmentieren lässt, und der heimlich drogensüchtige Comedian Jeff Portnoy (Jack Black).

Da die Dreharbeiten anders verlaufen als geplant, wollen die Produzenten das Projekt abblasen. Also beschließt Regiedebütant Damien Cockburn (Steve Coogan), der sich mit dem Film den großen Durchbruch erhofft, das Kriegs-Spektakel mit versteckten Kameras auf eigene Faust durchzuziehen. Nachdem er verunglückt, sind die Schauspieler auf sich gestellt. Die halten das Ganze jedoch nur für ein Spiel - selbst dann noch als ihnen Drogenschmuggler auf den Fersen sind.

Die Flut guter Ideen lässt Stillers Film scheitern

Von «Verrückt nach Mary» über «Meet the Parents» und «Zoolander» - Ben Stillers jüngste Komödien waren allesamt brilliant. Vom Biss und Witz der Vorgänger ist bei «Tropic Thunder» trotz des Star-Autorentrios, bestehend aus Stiller, Etan Coen («Idiocracy») und Justin Theroux («Mulholland Drive»), wenig zu spüren. An der Leistung der A-Riege-Darsteller von Downey Jr. bis Matthew McConaughey liegt das nicht, sie alle spielen zufriedenstellend. Oder gar kreischend komisch wie der kaum erkennbare Tom Cruise, der als schwitzender und rappender Studioboss im Fatsuit begeistert. Oder auch Nick Nolte, der als heuchlerischer Schmuddel-Veteran überzeugt.

Bereits vor dem US-Start hat «Tropic Thunder» für Schlagzeilen gesorgt: Amerikanische Behindertengruppen wollten Stillers Komödie wegen der geistig zurückgebliebenen Film-im-Film-Figur «Simple Jack» stoppen. Wer den Film gesehen hat, dem mag der Medienwirbel wie eine ironische PR-Finte vorkommen. Tatsächlich haben die Boykott-Aufrufe dem Film mehr genutzt als geschadet. Letztendlich ist es die Flut guter Ideen, die «Tropic Thunder» scheitern lässt. Hier bekommt einfach jeder sein Fett weg: Schauspieler, Studiobosse, Regisseure, Schauspieler, Agenten. Außerdem werden Action- und Vietnam-Filme wie «Rambo» (Stillers Muskeln! Das Stirnband!) oder «Apocalypse Now» aufs Korn genommen.

Stiller strickt statt an einem gleich an zahllosen Unter-Handlungssträngen, reiht schlichten Humor (Pipi-Kacka-Kotze) an Peinlichkeit und lässt den Plot streckenweise ins Banale laufen. «Tropic Thunder» ist wahrhaft ein cineastischer Wirbelsturm, jedoch einer, der das Wesentliche unter sich begräbt. Denn in Stillers Dschungel sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.

(NZ)

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