„Bei Eifersucht versagt der Verstand“

Woher die Angst kommt, den anderen zu verlieren – ein Psychologe erklärt es.
AZ: Herr Krüger, Catherine Millet ist eine blitzgescheite, kultivierte Frau. Trotzdem hat sie ihrem Mann hinterherspioniert, sich selbst erniedrigt. Wieso?
WOLFGANG KRÜGER
Wie definieren Sie Eifersucht?
Es gibt zwei Formen. Die normale Eifersucht sollte jeder haben. Sie ist ein Warnsignal dafür, dass etwas nicht stimmt, dient dazu, die Beziehung zu bewahren. Wenn jemand gar nicht eifersüchtig ist, was bei manchen Männern oft der Fall ist – das ist nicht gesund. Die sind seelisch abgestumpft, kriegen gar nicht mit, dass ihre Frau fremd geht.
Was ist die zweite Form?
Krankhafte Eifersucht. Dahinter steckt eine persönliche Störung. Die hat meist mit traumatischen Ereignissen zu tun, dass einer nicht genügend geliebt wurde, nie gespürt hat, welche Bedeutung er hat.
Fängt das in der Kindheit an?
Ja. Ein Kind muss das Glänzen in den Augen der Mutter spüren, um später ein gesundes Selbstvertrauen zu haben. Wer nicht das Gefühl hat, etwas Besonderes zu sein, hat später Defizite, fühlt sich austauschbar. Das ist die Basis der Eifersucht.
Ist Eifersucht heilbar?
Sie wächst sich nicht aus, aber man kann sie mit einer Therapie stabilisieren.
Und was ist mit der Angst, verlassen zu werden?
Wer nicht selbstbewusst darauf baut, dass der andere aus Liebe bei ihm bleibt, versucht verzweifelt, ihn mit anderen Mitteln an sich zu ketten.
Mit welchen?
Besitzdenken und Kontrolle. Er verbietet viele Dinge, verbreitet negative Stimmung, will immer genau wissen, was der andere macht.
Hält das eine Partnerschaft aus?
Nein, auf Dauer führt krankhafte, nicht therapierte Eifersucht zur Trennung.
Soll man dem eifersüchtigen Partner manche Treffen und Aktivitäten, so harmlos sie auch sind, verschweigen?
Normalerweise wird der Partner des oder der Eifersüchtigen im Lauf der Zeit so genervt sein, dass er das tut, um nicht neue Szenen und Ängste auszulösen.
Bringt das auf Dauer was?
Nein, das Vertrauen schwindet, es entsteht Distanz. Der Eifersüchtige kriegt ja mit, dass sich sein Partner zurückzieht. Das macht die Probleme nur schlimmer. Da brodelt’s dann schnell wie auf einem Vulkan.
Kann dieser giftige Stachel eine Beziehung auch beleben?
Ein bisschen kann ganz belebend sein, so wie Salz in Suppe. Aber auf Dauer zerstört Eifersucht das Vertrauen.
Wie kann sich ein junges Paar, das zusammen alt werden möchte, davor schützen?
Wenn beide treu sind, die Beziehung lebendig halten und selbstbewusst davon ausgehen, dass sie für den anderen liebenswert sind.
Sie befassen sich seit mehr als 20 Jahren mit Eifersucht? Haben sich die Anlässe und Abläufe geändert?
Die inneren Abläufe sind immer die gleichen. Was sich verändert hat, ist die gesellschaftliche Einstellung zur Eifersucht. In den 70ern und 80ern war Eifersucht total verpönt, heute zeigt man sie.
Woran liegt das?
In unserer Gesellschaft nehmen die Unsicherheiten zu, da ist die Treue wieder höher im Kurs. Und die zieht die Eifersucht nach sich.
Sind unter Ihren Patienten mehr Frauen oder Männer?
Frauen, sie neigen mehr zur Eifersucht, sprechen aber darüber. Männer nicht. Sie verdrängen die Probleme lange – und dann wird es furchtbar. Nicht wenige bringen sich um.
Interview: rs