Behörden lassen Kinderschänder frei

Der Mann hatte ein kleines Mädchen missbraucht; Gutachter glauben, dass er nicht therapierbar ist. Dennoch mussten ihn die Behörden aus dem Gefängnis entlassen - und für eine ständige Überwachung in Lübeck fehlt das Personal.
von  Abendzeitung
Polizeieinsatz
Polizeieinsatz © dpa

Der Mann hatte ein kleines Mädchen missbraucht; Gutachter glauben, dass er nicht therapierbar ist. Dennoch mussten ihn die Behörden aus dem Gefängnis entlassen - und für eine ständige Überwachung in Lübeck fehlt das Personal.

Ein als gefährlich eingestufter Sexualstraftäter ist wegen eines Formfehlers der Justizbehörden auf freien Fuß gesetzt worden. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Lübeck, Peter Bandewiede, sagte am Dienstag, dass der 61-Jährige entlassen worden sei. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig durfte nachträglich keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte diese zwar beantragt, scheiterte jedoch wegen eines Formfehlers. Der Mann war im Juli 2004 zu fünf Jahren Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs seiner kleinen Stieftochter verurteilt worden. Zwei Gutachter hatten den Täter als nicht therapierbar und weiterhin gefährlich eingestuft. Landesjustizminister Uwe Döring (SPD) sagte zu der Freilassung: «Ich bedauerte sehr, dass ein solch gefährlicher Straftäter aufgrund eines Formfehlers auf freien Fuß kommt.» Das sei sowohl den Bürgern als auch den Opfern nur schwer zu vermitteln. Die Kinderhilfe nannte den Fall «skandalös und symptomatisch für unser Justizsystem».

Rundumüberwachung nicht möglich

Der Minister sagte, Justiz und Strafvollzug stellten jetzt der Polizei sämtliche Informationen zur Verfügung, um den Entlassenen zu überwachen. «Der Straftäter soll nicht wissen wann er überwacht wird, aber dass er beobachtet wird», so Döring. Eine Rundumüberwachung ist nach Worten von Döring allerdings aus personellen Gründen nicht machbar. Sofern sich abzeichne, dass der Straftäter in ein anderes Bundesland gehe, würden alle Daten den dortigen Behörden zur Verfügung gestellt. Die Deutsche Kinderhilfe forderte den Gesetzgeber auf, die Regelungen vollkommen neu zu fassen, bevor das nächste kindliche Missbrauchsopfer zu beklagen sei. «Will die Politik wirklich ein weiteres vermeidbares Opfer dieser Reformunfähigkeit in Kauf nehmen?», sagte Vorstandsvorsitzender Georg Ehrmann in Berlin. Das Landgericht Kiel und das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig lehnten inzwischen auch einen Unterbringungsbefehl ab, den die Staatsanwaltschaft für den Zeitraum zwischen der Entlassung aus der Strafhaft und der Entscheidung über eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung beantragt hatte. Neue Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des Verurteilten seien nach den Hauptverhandlungen in den früheren Verfahren nicht zutage getreten, hieß es zur Begründung. Die Kieler Staatsanwaltschaft will aber weiterhin erreichen, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt wird. (AP/dpa)

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