Bedrohte Frühlingsboten: Die Schwalbe macht sich rar

Von Haus und Hof waren Schwalben einst nicht wegzudenken. Heute sind die geselligen Vögel vielerorts seltene Gäste. Tierschützer sind besorgt - und handeln.
von  Bernard Darko/dpa
Eine Mehlschwalbe (Delichon urbicum) baut an ihrem Nest unter dem historischen Verladeturm am Fluss Oder in Groß Neuendorf im Oderbruch (Brandenburg).
Eine Mehlschwalbe (Delichon urbicum) baut an ihrem Nest unter dem historischen Verladeturm am Fluss Oder in Groß Neuendorf im Oderbruch (Brandenburg). © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Von Haus und Hof waren Schwalben einst nicht wegzudenken. Heute sind die geselligen Vögel vielerorts seltene Gäste. Tierschützer sind besorgt - und handeln.

Der Frühling hat sich endlich aus der Deckung gewagt, doch einige seiner zwitschernden Boten sucht man vielerorts vergebens: die Schwalben. Wo einst das kecke Gezirpe von Mehl- und Rauchschwalben den Himmel erfüllte, herrscht Stille. In diesem Jahr schlagen Naturschützer einmal mehr Alarm. Der Bestand der beiden Vogelarten geht schon seit Jahren zurück, Futtermangel und fehlende Brutplätze setzen ihnen zu. Zum Überleben brauchen sie die Hilfe desjenigen, der ihnen das Leben überhaupt erst so schwer gemacht hat: des Menschen.

Vor gar nicht so langer Zeit war es umgekehrt. Den Menschen wurde von den Schwalben geholfen, sie profitierten vom Heißhunger der Vögel auf Insekten, wie Lorena Heilmaier vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) sagt. Haus und Hof seien dadurch weniger von lästigen und schädlichen Insekten befallen gewesen. "Das tat nicht nur dem Vieh gut, sondern auch den Feldfrüchten." Heute kämen überall Insektengifte zum Einsatz, auf die Schwalben als Insektenvertilger sei der Mensch nicht mehr angewiesen.

Den Vögeln macht das in zweierlei Hinsicht zu schaffen. Sie kämen zum einen an viel weniger Insekten für sich und ihre Küken heran, sagt Heilmaier. Zum anderen mangele es vermehrt an Toleranz - etwa, wenn bei den Mehlschwalben die Natur ruft. Die geselligen Flugakrobaten mit dem blau-schwarzen Gefieder und weißem Bauch nisten gern an rauen Außenmauern von Gebäuden, unter Dächern und anderen Vorsprüngen. "Fällt Kot aus ihren an Häusern gebauten Nestern, wird das heute als störend empfunden."

Kuhställen und Scheunen als bevorzugte Nistplätze

Die Rauchschwalben mit ihrem typischen kastanienbraunen Gesichtsfleck nisten bevorzugt in Kuhställen und Scheunen auf dem Land. Dort hätten sie es zwar etwas leichter, zumal es dort nie klinisch sauber sei, sagt Heilmaier. Doch gebe es auch da Probleme, wenn größere Mengen Kot in die Futtertröge fielen.

Nach ihrer tausende Kilometer langen Rückreise aus dem Winterquartier in Afrika finden die ortstreuen Schwalben ihren Nistplatz dann mitunter abgesperrt wieder. Moderne Ställe und Hallen sind ohnehin oft so abgedichtet, dass sie den Vögeln keinen Unterschlupf bieten. Auch durch Abriss, Sanierung oder Gebäudedämmung verlieren Schwalben Lebensraum.

Oft sei kein böser Wille im Spiel, sondern schlicht Unwissenheit, sagt Heilmaier, die beim LBV das vom bayerischen Umweltministerium geförderte Projekt "Der Spatz als Botschafter der Stadtnatur" betreut. Dabei könne für das Zerschlagen von Schwalbennestern sogar eine Freiheitsstrafe drohen, denn die Vögel wie auch ihre Behausungen seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützt. In der Praxis komme es aber selten zur Anzeige - und wenn doch, werde meist nur eine Geldstrafe verhängt.

Heilmaier und ihre Mitstreiter setzen beim Schwalbenschutz vor allem auf Aufklärung und die Warnung, dass die Vögel jetzt schon bedroht sind. Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands sind Rauch- und Mehlschwalbe als "gefährdet" eingestuft.

Um die Mehlschwalbe sei es besonders schlecht bestellt, sagt Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland mit Verweis auf seit 2006 erhobene Ergebnisse der "Stunde der Gartenvögel", einer landesweiten Zählaktion. "2016 hatten wir nur noch 60 Prozent des Bestandes von 2006." Bei der Rauchschwalbe sei in diesem Zeitraum zwar auch ein leichter Rückgang beobachtet worden, doch sei dieser bisher statistisch noch nicht gesichert. "Klar ist aber, dass diese auf Fluginsekten als Nahrung angewiesenen Arten genauso wie der Mauersegler besonders stark abnehmen", erklärt Lachmann.

Sylvia Weber kümmert sich beim LBV um das Projekt "Artenschutz an Gebäuden" in München. "Ich setze mich dafür ein, dass die Tiere nicht ums Leben kommen, dass ihre Eier und Jungen überleben", sagt die Vogelexpertin. Zudem sorge sie dafür, dass Schwalben nach Ende der Bauarbeiten künstliche Nisthilfen vorfänden, falls die alten Nester nicht erhalten werden können.

Kotbretter als Tipp für Architekten und Bauherren

Architekten und Bauherren berät die Expertin zudem beim Anbringen von Kotbrettern, die Gebäude von den Hinterlassenschaften der Vögel abschirmen sollen. Wichtig sei dabei, die Bretter nicht zu nah unters Nest zu hängen, da sie sonst zur idealen Rennbahn für Marder würden, die dann ein Nest nach dem anderen ausräumten, warnt Weber. Der LBV sucht zudem Ehrenamtliche, die in den Städten den Schutz von Gebäudebrütern unterstützen.

Susanne Rieck engagiert sich seit 2015 in ihrer Heimatstadt Landshut. In der Altstadt tummeln sich 50 Rauchschwalben-Paare, wie sie sagt. Als sie beobachtet habe, wie während der Brutzeit Nester abgeschlagen wurden, habe sie die Initiative ins Leben gerufen, so die Projektleiterin der örtlichen Aktion "Schwalben für Landshut."

Rieck wirbt bei Hauseigentümern und Mietern um Milde im Umgang mit Schwalben. Und sie hat Tipps, wie den Vögeln das Leben einfacher gemacht werden kann. Sie rät zum Beispiel zum Aufstellen von Lehmpfützen, damit Schwalben wieder Baumaterial für Nester finden.

Das ist gar nicht so schwierig: Einen großen Lehmklumpen in einen größeren Blumenuntersetzer geben, mit Wasser vermischen, etwas Stroh und ein paar Pferdehaare dazu und an einen Ort aufstellen, an dem Schwalben vorbeifliegen, empfiehlt Rieck. Bei den Vögeln komme das gut an. "Seit der Lehmpfützen-Aktion halten die Nester wieder."

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