Aufröstung in der Küche
Aktive Bohnenüberwachung und integrierte Tassenbeleuchtung: Wie abgebrühte Marketing-Strategen die Kaffeemaschine zum Statussymbol machen
Worum bitte geht’s, wenn zwei Männer über Beschleunigung, Linienführung, Kurven und Pumpendruck fachsimpeln? Um Autos, um Frauen gar? Immer seltener! Der Kerl von Welt prahlt nicht mit Ferrari oder Gaby, sondern mit seinem Kaffeeautomaten.
Kein Witz. Zumindest wenn es nach den abgebrühten Marketingstrategen geht, die das Küchengerät neuerdings als Statussymbol zu inszenieren versuchen. Und sich dabei einer Sprache befleißigen, die man eher in der Schrauber-Szene vermuten würde.
Das geht schon bei den Namen los: Vorbei sind die Zeiten, als industrieweiße Klötze auf blumige Bezeichnungen wie „Hilda“ und „Europiccola“ hörten. Der neue Vollautomat der Schweizer Firma Jura zum Beispiel heißt „Z5“ – die Ähnlichkeit zum Männertraum von BMW, dem Sportwagen Z4, scheint nicht ganz unabsichtlich gewählt.
Nur trinken muss man anscheinend noch selber
Dass neue Zielgruppen angesprochen werden sollen, demonstriert auch der Werbeträger: Kein stereotyp strahlendes Hausmütterchen hält die Maschine in die Kamera, sondern Tennisspieler Roger Federer, cool und selbstbewusst in die Ferne schauend. Kann er ja auch. Wozu gibt’s schließlich die „aktive Bohnenüberwachung“, die „Pulvererkennung“ und das „Intelligent Pre Brew Aroma System“?! Nur trinken muss man anscheinend noch selber.
Die technische Aufröstung der Hersteller zahlt sich aus: Laut der Gesellschaft für Konsumforschung verzeichnet der Bereich der „Hot Beverage Maker“ (ganz, ganz früher hätte man Heißgetränkmacher gesagt) im zweiten Quartal 2008 einen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich. Für die lässt der Kunde im Schnitt 600 Euro an der Kasse.
Dabei steckte der Kaffee hierzulande lange in der Krise, im spießigen Ghetto der Melitta-Papis und Genießer-Gräfinnen, die Menschen unter 100 eher einen radikalen Koffeinverzicht nahelegten. Bis die Coffee-Shops kamen – mit ihren bizarren Anglizismen und putzigen Pappbecherchen. Was deren Kritiker gerne vergessen: Erst angesichts dieser, wie sie meinen, Vulgarisierung eines Kulturgetränks konnte sich eine Art Gegenbewegung entwickeln. Allerdings nicht in den Kaffeehäusern, die weiter vor sich darben, sondern daheim.
Oberfläche aus Klavierlack
Dort zelebrieren Koffein-Junkies immer öfter ihre schwarze Sucht an schicken Automaten, erfreuen sich an der Oberfläche aus Klavierlack, dem sanften Röcheln des Milchschäumers, der integrierten Tassenbeleuchtung – und vergessen dabei oft das Wichtigste: die richtigen Bohnen. Sagt jedenfalls Klaus Rechenauer aus Wasserburg, Vorstandsmitglied in der Deutschen Röstergilde.
„Wenn in den Bohnen nichts drin ist, kann auch ein sechsstufiges Hochleistungs-Kegelmahlwerk nichts herausholen“, so der Experte. Das sei beim Fleisch genauso, wobei da wenigstens gute Sauce den nicht vorhandenen Geschmack übertünchen könne. „Es ist blanker Unsinn, für ein Gerät über 1000 Euro auszugeben und dann bei den Bohnen zu knausern.“ Handwerklich geröstet müssten die sein – und nicht zu billig.
Wichtiger als Swarowski-Steine („Klamauk“) am Edel-Automaten sei zudem eine verstellbare Temperatur und Mahlfeinheit – laut Rechenauer ist deren Fehljustierung in der Gastronomie fast immer die Ursache für Ungenießbares. Auch solle man sich vor dem Kauf über den Kundenservice informieren. „Was nützt das tollste Auto, wenn es deutschlandweit nur eine Werkstatt gibt?“
Timo Lokoschat
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