Auf dem Kriegsschiff gibt's sogar Weihnachtsbäume
Mehr als 3700 Bundeswehrsoldaten müssen Weihnachten weit entfernt von der Heimat verbringen. Zu den Betroffenen gehören auch die Besatzungsmitglieder der Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern", die Deutschland für den EU-Einsatz "Sophia" gegen Schleuserkriminalität und zur Seenotrettung im Mittelmeer zur Verfügung stellt. Im Interview erzählt Kommandant Christian Schultze (44) über die Vorbereitungen für einen Heiligabend auf hoher See und die nicht immer einfache Mission vor der libyschen Küste.
Herr Fregattenkapitän Schultze, Sie und Ihre Besatzung werden Weihnachten mehr als 2000 Kilometer entfernt
von der Heimat auf dem Mittelmeer verbringen. Wird der Weihnachtsbaum fehlen?
Christian
Schultze: Sie werden es nicht glauben, aber wir haben auf dem Schiff Weihnachtsbäume. Jede Messe, also jeder
Gemeinschaftsraum, hat einen. Zudem steht einer auf dem Flugdeck. Insgesamt sind es fünf.
Woher bekommt man auf dem Meer Weihnachtsbäume?
Die hat uns unser Patenland
Mecklenburg-Vorpommern geschickt. Als wir einen Hafenaufenthalt in Cagliari auf Sardinien hatten, haben wir sie
an Bord genommen.
"Jeder Seefahrer hat die Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten"
Kann auf einem Kriegsschiff wirklich Weihnachtsatmosphäre aufkommen?
Das ist zumindest das
Ziel. Für Heiligabend hat der eingeschiffte Militärpfarrer zusammen mit 25 Soldatinnen und Soldaten ein
Krippenspiel organisiert, es gibt eine Christmette. Am 25. haben wir ein Gemeinschaftsevent im Hangar geplant.
Wenn nichts dazwischen kommt, wollen wir uns da die Helene-Fischer-Show anschauen. Und natürlich gibt es gutes
Essen - Heiligabend zum Beispiel Gänsebrust mit Orangensauce, Rosenkohl und Schupfnudeln.
Ein solches Programm kann es nicht immer geben. Wie schaffen Sie es, die Soldatinnen und Soldaten während des
sechsmonatigen Einsatzes motiviert und bei Laune zu halten?
Wichtig ist es, nicht zu
lange an einem Stück auf See zu sein, also einen Ausgleich zwischen See- und Hafenphasen zu haben. Zudem
versuche ich, das Leben an Bord für die Soldatinnen und Soldaten so angenehm wie möglich zu machen.
Was sind Dinge, die den Soldatinnen und Soldaten wichtig sind auf dem Schiff?
Den jungen
Leuten ist es heute extrem wichtig, dass sie regelmäßig mit ihren Freundinnen und Freunden und Verwandten
kommunizieren können. Das ist hier sichergestellt. Jedes Besatzungsmitglied hat die Möglichkeit, jeden Tag in
der dienstfreien Zeit zu telefonieren, E-Mails zu schreiben und so den Kontakt zu pflegen. Ich versuche auch,
die Sonntage nach Möglichkeit freizuhalten.
Können die Soldaten an Bord soziale Medien nutzen?
Das funktioniert nicht. Die Bandbreite
reicht aus für die private E-Mail-Kommunikation und die dienstlichen IT-basierten Dienste. Alles andere ist
leider nicht möglich, wenn wir auf See sind.
Was sagen Sie jungen Männern und Frauen, die Sie fragen, warum Bundeswehrsoldaten Migranten aus Seenot retten
müssen?
Zunächst hat jeder Seefahrer - ganz gleich ob auf einem Segelboot, einem Tanker
oder Kriegsschiff - die allgemeine Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten. Dabei spielt keine Rolle, warum
jemand Seenot erlitten hat. Auf dem Meer sind alle gleich. Es geht im Moment der Seenotrettung schlicht darum,
Menschenleben zu retten. Punkt. Die Gesamtsituation zu bewerten, ist eine politische Aufgabe. Meiner Besatzung
sage ich, dass wir einen Auftrag haben, den uns der Bundestag erteilt hat, also das vom deutschen Volk
demokratisch gewählte Parlament. Das verstehen auch alle hier an Bord.
Was war bislang der emotionalste Moment an Bord?
Unter den Menschen, die wir kürzlich gerettet
haben, war eine hochschwangere Frau, die an Bord eine Spontangeburt hatte. Maverloy hat die Mutter den kleinen
Buben genannt. Das soll so viel bedeuten wie "Gott ist großartig". 2450 Gramm war er schwer und 51 Zentimeter
lang. Das ist eine Sache, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. In solchen Momenten herrscht immer eine
himmelhochjauchzende Freude an Bord.
Was war bislang die militärisch heikelste Situation?
Ein Zwischenfall am 1. November. Wir
hatten ein Rettungseinsatz absolviert, als ein Küstenwachboot der Libyer auf ein Schlauchboot mit meinen Leuten
zugefahren ist und nicht auf Warnungen über Funk reagiert hat. Ich habe die Fregatte als Schutz
dazwischengefahren. Die Libyer sind daraufhin abgedreht, haben aber noch ins Wasser geschossen.
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