Atomwolke auf der Pol-Route
Der Jetstream fegt mit 300 Stundenkilometern um den Pol und könnte die Strahlung über eine Abkürzung zu uns bringen. Experten sprechen von „sehr, sehr geringen, unbedenklichen Werten“.
Zwölf Tage hat es gedauert – jetzt ist die Radioaktivität aus Japan in Europa angekommen. In Island wurden erhöhte Werte gemessen: „Von da aus ist es nicht mehr weit nach Mitteleuropa“, sagt Erich Wirth vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).
Wie stark ist die Strahlung? Genaue Zahlen für Island hat das BfS noch nicht. Die ankommende Radioaktivität werde „sehr, sehr niedrig sein und nicht bedenklich“, sagte BfSMannWirth. Im Lauf des Mittwochs sollten erste Werte auch andernorts in Europa vorliegen, so die Experten.
Wann kommt die Strahlung zu uns? In Deutschland sind noch keine erhöhten Werte gemessen worden: „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier die Messgeräte anschlagen“, sagt Simon Hölzel vom Wetterdienst Meteomedia. Von Island werde die Strahlen „denselben Weg nehmen wie die Asche des Vulkans Eyjafjällajoküll 2010“, meint Hölzel.
Wie kommt die Strahlung so schnell nach Europa? In 7000 bis 9000 Meter Höhe herrscht um den Pol eine Westströmung. Mit bis zu 300 Stundenkilometer strömen Luftmassen gegen den Uhrzeigersinn um die Arktis. „Dieser Jet-Stream verläuft im Winter südlicher als im Sommer“, sagt Hölzel. „Theoretisch könnte die Strahlung mit dem Jetstream zu uns getragen werden.“ Die gemessenen Werte deuten darauf hin, dass die Strahlung aus Fukushima wesentlich höher in die Atmosphäre geschleudert wurde als angenommen.
Gibt es bei uns belastete Lebensmittel? Brokkoli, Spinat und Milch um den Reaktor und Stichproben von Trinkwasser in Tokio lagen über den Grenzwerten. „Nach unserem Kenntnisstand ist bei uns nichts angelandet“, sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU): „Die Behörden haben die Kontrollen in See- und Flughäfen hochgefahren.“
Was ist mit Fisch aus dem Nordmeer? „Unsere Forschungseinrichtungen beobachten die Fischgründe im Nordwest-Pazifik“, sagt Aigner. Der Münchner Strahlenforscher Edmund Lengfelder sagt, vor allem der Umkreis um den Unglücksreaktor müsse genau kontrolliert werden, da hier die Verdünnung noch nicht so schnell vor sich gehe.
Kommen belastete Lebensmittel vielleicht später? „Aus Japan kommen praktisch keine Lebensmittel raus“, sagt Aigner. „Die Menschen brauchen sie selbst.“ Deutschland importiert jährlich Lebensmittel für 33 Millionen Euro aus Japan. Das ist verschwindend im Vergleich zum Warenwert von 61 Milliarden, den wir aus dem Rest der Welt importieren.
Gibt es ein Alarmsystem? „Sollte es zu Grenzwertüberschreitungen kommen, gibt es einen speziellen Mechanismus auf europäischer Ebene“, sagt Aigner. Dann gebe es „sehr dezidierte Kontrollen“.
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