Anschlag auf Königin Beatrix: Blutbad am Königinnentag
APELDOORN - Karst T. tötete auf seiner Amokfahrt in Apeldoorn fünf Menschen und stirbt an den Folgen seiner eigenen Verletzungen. Wollte er die Königin töten, weil er arbeitslos war? 250 Ermittler suchen nach seinem Motiv. Die Niederlande stehen unter Schock
Auf dem handgemalten Plakat einer Frau steht: „Unglaublich, sprachlos, sinnlos, machtlos.“ Vier Worte, die das Entsetzen der Niederländer widerspiegeln. Am vergangenen Donnerstag hatte der 38-jährige Karst T. einen Anschlag auf Königin Beatrix und ihre Familie verübt. Fünf Menschen und der Attentäter starben, die Königsfamilie blieb unverletzt. Jetzt trauert die ganze Nation. Die AZ dokumentiert, was geschah.
Der Anschlag
Es ist Donnerstag, gegen zwölf Uhr. Mehr als 200000 Menschen jubeln auf den Straßen von Apeldoorn ihrer Königin Beatrix (71) und der Königsfamilie entgegen. Die patriotischen Niederländer tragen Perücken, T-Shirts und Fahnen in der Nationalfarbe Orange. Es ist Königinnentag, niederländischer Nationalfeiertag. Die Königin der Niederlande fährt eine Parade ab, zum Schloss Het Loo in der Nähe von Apeldoorn. Die Königsfamilie fährt in einem offenen Festbus durch die Stadt.
Das Fernsehen überträgt live. Der Königs-Bus wird gezeigt, da kommt von rechts aus dem Bild ein schwarzes Auto angeschossen. Es ist der Suzuki Swift von Karst T.. Das Fahrzeug ist bereits stark beschädigt. Zwei Absperrungen hat T. durchbrochen. Mit Vollgas will er in den königlichen Bus rasen. Doch die Menschenmenge ist im Weg. T. rast durch die Schaulustigen, Menschen werden durch die Luft geschleudert. Kinder sind darunter, auch Mitglieder einer Kapelle, die der Königin ein Ständchen bringen wollte.
Kronprinz Willem-Alexander und seine Frau Maxima springen von ihren Sitzen auf, halten sich die Hände vor den Mund vor Entsetzen. Amokfahrer Karst T. verliert die Kontrolle über seinen Suzuki und prallt gegen ein Denkmal, das nur wenige Meter vom Bus der königlichen Familie entfernt ist. „Oh, da fährt ein Auto gegen das Denkmal!“, ruft die Fernseh-Kommentatorin, die erst langsam versteht, was passiert ist. „Das ist schrecklich, da liegen Menschen am Boden!“ Schreie sind zu hören, Menschen liegen leblos auf der Parademeile. Verzweifelt versuchen Helfer, sie wiederzubeleben. Die schreckliche Bilanz: Zwei Frauen und drei Männer sterben bei der Amokfahrt, zwölf Menschen erleiden schwere Verletzungen.
Der Täter
Karst T. wird durch den Aufprall auf das Denkmal schwer verletzt. Noch am Tatort gibt er zu, dass er die Königsfamilie treffen wollte. Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass T. eine Karte mit der Route der Königin bei sich hatte. Einen Terror-Anschlag können sie ausschließen. Nicht auszudenken, welche tödlichen Folgen ein mit Sprengstoff beladenes Auto gehabt hätte. Mit schweren inneren Blutungen kommt T. ins Krankenhaus, dort stirbt er am Freitagmorgen.
Warum hat er das getan? Karst T. war ein Einzelgänger, berichtet der „Telegraaf“. Er lebte zurückgezogen in Huissen, einem kleinen Ort südöstlich von Arnheim. Besuch bekam er nie, eine Freundin hatte er auch nicht. Seinen Nachbarn soll er von Problemen erzählt haben: „Ich stecke in der Patsche.“ Was er damit meinte, ließ er aber offen. Zum 1. Mai hatte er seine Wohnung gekündigt – offenbar weil er arbeitslos war und sich die Miete nicht mehr leisten konnte, heißt es. Karst T. hatte sich in den vergangenen Wochen verändert: Früher hatte er eine Kurzhaarfrisur mit einer flotten Haartolle. Zuletzt sah man ihn im Dorf mit einem kahlgeschorenen Schädel. Manchmal trug er die Hosenbeine aufgerollt und darunter hohe schwarze Stiefel. Als vor ein paar Tagen Nachmieter sich seine Wohnung anschauen wollten, habe Karst T. sie wütend herausgeworfen. Eine Sonderkommission aus 250 Polizisten, Kriminalisten, Psychologen und Gerichtsmedizinern soll den Fall jetzt aufklären.
Die Trauer
Die Parade wird nach dem Zwischenfall sofort abgebrochen, und auch alle übrigen Feiern zum Königinnentag werden abgesagt. Königin Beatrix hält eine Fernseh-Ansprache: „Was als großer Tag begonnen hat, endete in einer furchtbaren Tragödie“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Auf den Straßen von Apeldoorn legen schockierte Bürger Blumen nieder. Eine Königsfamilie zum Anfassen – das war seit fast 200 Jahren der Stolz der Niederländer. Damit ist es jetzt wohl vorbei.
Karl E. Dittrich, Volker ter Haseborg
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