Annalena Baerbocks und das Trampolin: ein unterschätztes Sportgerät

Der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug der grünen Kanzlerkandidatin und Ex-Trampolinspringerin Annalena Baerbock wirft ein Schlaglicht auf ein unterschätztes Sportgerät.
von  Georg Etscheit
Der Aufenthalt ganz weit oben ist kurz, das Vergnügen ganz ordentlich. Zumindest für die Generation Trampolin, die ohne Laufstall aufgewachsen ist...
Der Aufenthalt ganz weit oben ist kurz, das Vergnügen ganz ordentlich. Zumindest für die Generation Trampolin, die ohne Laufstall aufgewachsen ist... © picture alliance/dpa

In Canberra gehören Kängurus zum Stadtbild und verursachen im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr regelmäßig Unfälle. Manchmal würden sie aggressiv, berichtete vor einiger Zeit eine norddeutsche Regionalzeitung. So sei beispielsweise ein Politiker der Grünen Partei (!) in der australischen Hauptstadt beim Joggen von einem Känguru angegriffen und verletzt worden.

Annalena Baerbock: Drei Medaillen bei den Meisterschaften im Trampolinturnen

Es mag vielleicht allzu naheliegend sein, wenn einem in diesem Zusammenhang die grüne Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in den Sinn kommt. Aktuellen Umfrage zufolge scheint der Sprung ins Kanzleramt für die Ökopolitikerin jedenfalls nur noch ein kleiner Hüpfer zu sein. Und für diesen Hüpfer verfügt Frau Baerbock, neben ihrem Studium der Politikwissenschaft und des Völkerrechts auch über die für diesen aufreibenden Spitzenjob unbedingt nötigen sportlichen Fertigkeiten. Laut Wikipedia betrieb sie während ihrer Kindheit und Jugend Trampolinspringen als Leistungssport. Sie habe an den Deutschen Meisterschaften im Trampolinturnen teilgenommen und dreimal eine Bronzemedaille gewonnen.

Auf einem Trampolin kommt man dem Himmel sekundenweise ein Stück näher

Die 1980 geborene Baerbock war Wegbereiterin der Generation Trampolin, deren Angehörige sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass man, aufbauend auf den nur vordergründig sicheren Leistungen der Vorgängergeneration zu meist zeitlich begrenzten Höhenflügen ansetzt. Auf einem Trampolin kann man sich aller Erdenschwere enthoben fühlen und kommt dem Himmel zumindest sekundenweise ein Stück näher. Allerdings folgt die Ernüchterung auf den Fuß, was dem Phänomen der Gravitation zu verdanken ist, die beim Trampolinspringen nur scheinbar aufgehoben wird. Der kurze Ausflug in höhere Gefilde erweist sich als wenig nachhaltig. Eine Luftnummer gewissermaßen.

Deutschland ist Trampolinland

Wohl in keinem anderen Land des Erdkreises dürften sich auf privaten Grundstücken so viele Trampolins finden wie in Deutschland. Kein Vorgarten ist pupsig genug, als das nicht ein solches Sprunggerät darin seinen Platz finden könnte. Für viele Eltern scheint das mit einem Netz eingefriedete Sprungtuch Ersatz für den wegen seines Freiheits beraubenden Charakters verpönten Laufstall zu sein. Die Gören sind auf einem Trampolin über Stunden sicher verwahrt und können mit ihren Gefährten aus der Nachbarschaft nach Herzenslust herumtoben, zur Freude der Nachbarn, die dem lärmenden Treiben meist schutzlos ausgeliefert sind.

Ein Trampolin gibt es schon für wenig Geld

Schon für relativ kleines Geld kann man sich im Internet oder im Baumarkt ein auf mehreren Standfüßen mehr oder weniger stabil ruhendes Trampolin zulegen.

Aldi Süd bietet schon für sensationelle 89,99 Euro ein Garten-Trampolin "mit Sicherheitsnetz und Stangenpolsterung", wobei solche Discount-Trampolins kaum länger als eine Saison durchhalten dürften und dann als Sperrmüll zu entsorgen sind, wenn sie den eigenen Garten nicht auch nach Erfüllung ihres Zwecks dauerhaft verunstalten sollen. Nach Windrad- und Batterieschrott aus Elektroautos droht mit ausgedienten Trampolins bereits die nächste Welle von Sondermüll auf die Republik zuzurollen.

Für ein professionelles Wettkampftrampolin muss man übrigens mehrere Tausend Euro investieren. Solche Sportgeräte sollten nur in Turnhallen zum Einsatz kommen, weil selbst eine teure Münchner Altbauwohnung selten über Raumhöhen von mehr als vier Metern verfügt und sich mit Trampolins Sprunghöhen von bis zu neun Metern erreichen lassen. Schwere Kopfverletzungen wären die Folgen einer Anwendung in mit Niedrigstdecke ausgestatteten Plusenergiehäusern.

Bei Raumhöhen bis zu 13 Metern würde sich das Bundeskanzleramt vorzüglich für die Aufstellung eines professionellen Wettkampftrampolins eignen, wobei sichergestellt werden müsste, dass kein Känguru in die deutsche Regierungszentrale eindringen und eine grüne Politikerin beim Trampolinspringen verletzen könnte.

Das Leben erweist sich der Generation Trampolin als kunterbuntes "Spiele ohne Grenzen"

Wer keinen Garten zur Aufstellung eines Trampolins besitzt und auch kein Bundeskanzleramt, kann in einer der schon recht zahlreichen Trampolinhallen nach Gusto und nach Herzenslust abheben. "Kinder können hier perfekt Geburtstage feiern, die sie so schnell nicht vergessen werden", heißt es auf einer einschlägigen Internetseite. Und wer ein gewisses "Date" habe, beeindrucke hier "seine Zukünftige mit einem deutlich witzigeren Programm als beim gemeinsamen 0815 Kochabend".

In solchen Hallen gibt es ganze Trampolinfelder, Luftkissen und "Slam Dunks", die die Trampolinwelt mit dem Basketball- oder als Dodgeball mit dem Völkerballspiel verbinden. Das Leben erweist sich der Generation Trampolin als einziges, kunterbuntes "Spiele ohne Grenzen". So der Titel einer belieben TV-Spielshow der 60er und 70er Jahre, in der Mannschaften aus europäischen Städten vorzugsweise Wasserbehälter über mit Schmierseife rutschig gemachte Parcours schleppen mussten und sich dabei freiwillig der Lächerlichkeit preisgaben - eine harmlose Vorform heutiger Selbstzerstörungs-Formate wie "Deutschland sucht den Superstar".

Begründet hat den Siegeszug des Trampolins und seiner zahllosen Derivate der US-Amerikaner George Nissen. Er ließ sich der Legende nach anlässlich eines Zirkusbesuchs von Trapez-Artisten inspirieren, die sich nach ihren Vorführungen in ein elastisches Sicherheitsnetz fallenließen und dort noch einige Kunststückchen vollführten. Anderen Quellen zufolge war Nissen selbst Hochartist. Auf jeden Fall war er es, der auf die Idee kam, das Hüpfen zu einer eigenen, sportlichen Disziplin auszubauen.

Zu diesem Zweck schuf er neuartige Sprunggeräte - Trampoline - und vermarktete sie seit 1941 über eine eigene Firma, die Griswold-Nissen Trampoline & Tumbling Company in Cedar Rapids, Iowa. Während des Zweiten Weltkriegs diente Nissen in der US-Navy; seine Trampoline wurden in der Schulung von Piloten eingesetzt, wie später auch in der Astronautenausbildung. Möglicherweise rührt daher die hüpfende Fortbewegung der Raumfahrer auf dem Erdtrabanten.

Baerbock hat beim Trampolinspringen verlieren gelernt

Nissen ließ sich 1960 zu Werbezwecken im New Yorker Central Park beim Trampolinspringen fotografieren - zusammen mit einem gemieteten Känguru! 1958 schon zuvor hatte er seine Geräte erstmals beim Deutschen Turnfest in München präsentiert. Sechs Jahre später wurde der Internationale Trampolin-Verband F.I.T gegründet, im gleichen Jahr fanden in London zum ersten Mal Trampolin-Weltmeisterschaften statt. Seit dem Jahr 2000 ist das Trampolin-Einzelspringen olympische Disziplin.

Baerbock gelang es ihrerzeit nicht, sich bis in die internationale Spitze der Trampolin-Turner vorzukämpfen, die fest in der Hand von Russen, Chinesen und Amis ist, weswegen sie den einfacheren Weg wählte und in die Politik ging. Vom Sport, insbesondere dem Trampolinspringen, habe sie viel für ihren späteren Lebensweg gelernt, sagte die grüne Frontfrau im Gespräch mit Ex-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert. Als da wären einem Stern-Artikel zufolge: "Disziplin, aber auch Mut. Dass jeder Sieg auch vorher eine Niederlage bedeutet.

Und Baerbock lernte Teamarbeit: dass man nicht alles alleine machen kann. Vor allem müsse man sich gut einschätzen können, seine Stärken und auch seine Grenzen kennen." Dass es für einen Sieg im Hüpfen nie gereicht habe, habe sie in ihrer Jugend durchaus geärgert hat, bekannte sie. Doch jetzt im Alter von vierzig Jahren habe sie diese Niederlage "verkraftet".

Eine vollständige Übung auf dem Trampolin umfasst laut Wikipedia zehn Sprünge, was zehn Tuchberührungen entspricht. Erlaubt sind Landungen auf beiden Füßen, im Sitzen, auf dem Rücken oder auf dem Bauch, sogenannte Bauchlandungen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.