Amokläufer aus der schwäbischen Provinz: Der schrecklich normale Tim

Tim (17) - der Amokläufer von Winnenden. Er war unauffällig, sportlich und gut in der Schule. Niemand weiß, wie aus ihm der Killer wurde, der 15 Menschen tötete. Porträt eines völlig unauffälligen Lebens - bis zum 11. März 2009.
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Gutbürgerliches Elternhaus: Hier hat der 17-Jährige mit seiner Familie gelebt.
AP Gutbürgerliches Elternhaus: Hier hat der 17-Jährige mit seiner Familie gelebt.

WINNENDEN - Tim (17) - der Amokläufer von Winnenden. Er war unauffällig, sportlich und gut in der Schule. Niemand weiß, wie aus ihm der Killer wurde, der 15 Menschen tötete. Porträt eines völlig unauffälligen Lebens - bis zum 11. März 2009.

Tim K. war bereit, „alles niederzumetzeln, was ihm in den Weg kam“, sagt Baden-Württembergs Polizeipräsident Erwin Hetger. „Er war ein völlig unauffälliger Jugendlicher“, sagt ein Polizeisprecher der Kripo in Waiblingen. „Er war ein hervorragender Tischtennisspieler“, sagen frühere Mannschafts- und Vereinskameraden. Noch weiß niemand, was aus dem angepassten Sportler einen Killer in Schwarz gemacht hat. Noch sucht die Polizei nach einem Abschiedsbrief, noch ist im Internet kein „Bekenner-Video“ aufgetaucht.Tim habe Horror-Videos besessen, mit PC- und Onlinespielen aber nichts am Hut gehabt, heißt es.

Seine Kindheit. Der Teenager und seine Schwester (15) wuchsen in Leutenbach, einem Nachbarort von Winnenden, auf. Seine Familie wird als wohlhabend beschrieben, ihr Haus im Ortsteil Weiler zum Stein kann man getrost als Villa bezeichnen. „Die Familie war in die Gemeinde integriert“, sagt der Bürgermeister Jürgen Kiesl. Tims Vater ist Geschäftsführer einer Firma für Lohnverpackungen, Montage- und Nacharbeiten in Affalterbach. Er fährt einen Porsche.

Sein Sport. Tim war ein begabter Tischtennisspieler, gehörte beim TSV Leutenbach zu den besten seines Jahrgangs. Die Vereinsvorsitzende sagt: „Er kam als kleines Kind zu uns, hatte immer viel Spaß.“ Ein Gegner berichtet, er habe mit Tim stets „ein schweres Los gezogen“. Zuletzt spielte er beim TV Öffingen. Im Oktober belegte er bei der Bezirksmeisterschaft den dritten Platz. Alles bestens, also.

Seine Schul-Karriere. In der Schule war Tim Kretschmer unauffällig, sagen seine Lehrer. Er setzte sich immer in die hinteren Reihen, wollte nicht auffallen. Bei den Klassenkameraden war er nicht gerade beliebt: Er galt als hochnäsig, prahlte mit seinem üppigen Taschengeld. Schwarze Kampfklamotten, wie er sie bei seinem Amoklauf trug, hatte er nie an. In der Schule lief es einigermaßen. Tim schloss die Albertville-Realschule im Sommer 2008 mit der Mittleren Reife ab. Sein Notenschnitt war allerdings mäßig, so dass er nicht auf eine weiterführende staatliche Schule gehen kann. Auf der Homepage der Bildungsstätte waren bis gestern Fotos der Abschlussfeier zu sehen – sie zeigen fröhliche junge Menschen. Zuletzt besuchte Tim ein privates kaufmännisches Berufskolleg. 190 Euro Schulgeld müssen die Eltern dafür zahlen. Dort wollte er seine Fachhochschulreife machen. Im Stoff kommt er gut mit. Am Dienstag schrieb er zusammen mit seinen Klassenkameraden noch eine Mathe-Arbeit. Sein Leben schien geregelt, völlig normal.

Seine dunkle Seite. Gewalttätig war er nie, berichten seine Lehrer. manchmal wurde er kurz aggressiv – aber dann regte er sich schnell wieder ab, sagt eine Bekannte. Doch Tim hatte eine dunkle Seite: seine Leidenschaft für Softair-Gewehre und -Pistolen. „Er hatte einen eigenen Waffenschrank und an den Wänden mehrere Quadratmeter voller Waffen hängen“, sagt ein Bekannter. „In der Schule hat er immer damit geprotzt.“ Jeden Tag habe Tim im Wald geübt. „Er war ein ziemlich guter Schütze.“ Genau wie sein Vater. Bei ihm fand die Polizei mehr als ein Dutzend echter Schusswaffen. „Der Vater ist berechtigt, die Waffen zu führen“, sagte ein Polizei-Sprecher der AZ. Er sei Sportschütze. 15 Schusswaffen besaß der Vater. Am Mittwochmorgen fehlte eine seiner automatischen Pistolen, eine italienische Beretta. Tim hatte sie aus dem Tresor mitgenommen.

Seine Opfer. „Es ist auffällig, dass primär Mädchen getötet wurden“, sagt der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech. Acht Schülerinnen und und drei Lehrerinnen tötete Kretschmer, sieben weitere Schülerinnen seien verletzt worden, wobei keine Lebensgefahr bestehe. Woher kommt der Hass auf Frauen? „Bild.de“ zitiert einen Bekannten des Attentäters. Er sagt: Kretschmers Freundin hätte vor kurzem Schluss gemacht.

Natalie Kettinger, Philipp Maushardt, Thomas Gautier

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