Alleinstehende Adoptivmutter gesucht: 61-Jähriger will adoptiert werden

Ein Bayer möchte seine Familie vergrößern – und versucht das über eine Anzeige. "Mutter gesucht" steht über der Anzeige in einem bayerischen Branchenblatt. Was er sagt und warum die Richter in solchen Fällen nicht mehr so großzügig wie früher sind
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Ein Bayer möchte seine Familie vergrößern – und versucht das über eine Anzeige. "Mutter gesucht" steht über der Anzeige in einem bayerischen Branchenblatt. Was er sagt und warum die Richter in solchen Fällen nicht mehr so großzügig wie früher sind

Mutter gesucht – steht über der Anzeige in einem bayerischen Branchenblatt. Die Zeile macht neugierig. Von wem und für wen wird sie gesucht – für ein SOS-Kinderdorf, als Tagesmutter oder gar für einen verwaisten Welpen? Ich komme auf einiges, aber nicht auf das, was ich dann lese:

Welche alleinstehende Dame ab ca. 80 Jahren in guten Verhältnissen hat den Wunsch, einen niveauvollen gepflegten Mann, 61, 1,80 schlank, mit Herzensbildung, der sich auch entsprechend um sie kümmert, an Sohnes statt zu adoptieren.“

Mal eine andere Interessenlage als bei Adels-Adoptionen à la Frederic von Anhalt, bei denen der „Zuwachs“ für seinen Titel und neuen Status zahlt. Die Mutter-Suche bedarf eigentlich keiner Kommentierung mehr. Oder doch?

Unter dem Text steht eine Telefonnummer. „Hallo“, meldet sich eine charmante Männerstimme. „Was kann ich für Sie tun?“

Ich sage meinen Namen und dass ich von der AZ bin. Möglich, dass der Mann am anderen Apparat enttäuscht ist, dass ich keine adoptionswillige 80-Jährige bin. Aber er lässt es sich nicht anmerken, beantwortet meine Frage nach seinem Motiv. „Ich bin ein Mann mit einer gewissen praktischen und geistigen Lebenserfahrung, die stelle ich gern zur Verfügung für einen älteren Menschen, der allein ist.“ Es gebe sicher eine ältere Dame, die verwitwet sei, mit Kindern im Ausland oder ganz allein, „die sich freut, wenn jemand für sie da ist“.

Was er unter „guten Verhältnissen“ versteht, ob es auch ein Ein-Zimmer-Appartement sein darf, mag er nicht erklären und auch nicht, warum es gleich um Familienbande gehen muss, warum er nicht einfach den Gesellschafter gibt. Natürlich sei er „ohne Hintergedanken“, sagt er. „Ich suche nicht eine Mutter als Mutterersatz, weil sie mir fehlt.“

Honi soit qui mal y pense, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich denke laut: „Sie suchen eine Frau, die Sie zum Erben macht.“

„Von Adoptionen wissen Sie wohl nichts“, sagt er scharf, „sonst wüssten Sie, dass das nicht hoppladihopp geht.“

„Dann sollten Sie sich“, passe ich mich seinem Tonfall, „wohl besser eine 70-Jährige suchen.“

„Die Menschen heute werden ziemlich alt“, pariert er. „Meine Großmutter, geboren 1888, ist 99 geworden.“ Die Frage nach seiner Mutter blockt er ab. „Ich verstehe nicht, was die damit zu tun hat.“ Ihm gehe es um den „zwischenmenschlichen Austausch“, sagt er und dass er nicht dazu da sei, „diese Frau finanziell zu versorgen“. Seine Stimme hat längst ihren anfänglichen Charme verloren: „Ich fühle mich von Ihren Fragen bedrängt.“ Er legt auf.

Ich suche noch ein paar Antworten, wende mich ans Münchner Amtsgericht, Abteilung Adoptionen. „Ein 61-Jähriger möchte adoptiert werden?“ Richter Michael Gottstein kann es nicht fassen. Dass es in Deutschland mehr Wunscheltern als Adoptivkinder gebe, sei ja bekannt, meint er. „Aber so einen Fall, den hatten wir hier noch nie.“ Selbst, wenn der Mann eine Frau fände, „die ihn adoptieren will und alle Unterlagen da sind, so schnell läuft das nicht mit der Adoption“. Es gehe, sagt Jurist Gottstein, „um die, sittliche Rechtfertigung’, wie es so schön im Gesetz heißt, da wird genau geprüft, ob das alles seine Richtigkeit hat.“ Ein derartiger Antrag werde „wohl eher abgewiesen“.

In dem Fall empfiehlt der renommierte Anwalt Hermann Messmer eine „so genannte Erb-Heirat, die geht auch schneller. Da überprüft niemand – wie bei Adoptionen, die um die 3000 Euro kosten – ob es zwischenmenschlich stimmt. Der Altersunterschied interessiert auch nicht.“

Hochzeiten zwischen wohlhabenden Ladys und ihren jüngeren Freunden nehmen zu, so Messmer. „Die Frauen wollen ihren Partner absichern, oft auch ihren Kindern eins auswischen, weil die sich nicht um sie kümmern.“ Und was ist mit einer Adoption? „Diese Frauen suchen keinen Sohn.“

Dafür sucht der „niveauvolle“ 61-Jährige weiter (s)eine Mutter. Renate Schramm

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