Afghanistan sucht den Superstar

Zum dritten Mal hat auch Afghanistan einen «Superstar» gefunden. Eine Kandidatin bekam Morddrohungen, Geistliche verdammen die Show als «unislamisch» - und die Jugend jubelt.
In einen schicken weißen Anzug gekleidet, die Haare nach hinten gegelt - so stand Rafi Nabzada auf der Bühne und ließ sich feiern. Zehn Millionen Zuschauer sollen den Auftritt des Siegers der dritten afghanischen «Superstar»-Staffel im Fernsehen verfolgt haben, 300.000 Fans stimmten per SMS über die Finalisten ab, wie der TV-Sender Tolo mitteilte. Hunderte junge Männer jubelten vor dem Hotel in Kabul, in dem die Show aufgezeichnet wurde. Doch während der 19-jährige Popsänger und seine Mitstreiter hauptsächlich von jugendlichen Afghanen wie Idole verehrt werden, ruft die Casting-Show westlicher Prägung die konservativen Geistlichen des Landes auf den Plan. Als «unislamisch» und gegen die Traditionen gerichtet bezeichnen sie den Talentwettbewerb. Eine junge Frau bekam sogar Morddrohungen, weil sie es wagte, im Fernsehen zu singen und zu tanzen.
Sechs Monate dauerte die Show «Afghan Star» im populärsten afghanischen TV-Kanal Tolo, 2000 Talente aus ganz Afghanistan hatten sich an dem Wettbewerb beteiligt. Rafi Nabzada, ein Tadschike aus der Provinz Balkh, bekam ebenso wie der zweitplatzierte Hamid Sakhizada 8000 Dollar (5185 Euro) Siegprämie, einen Plattenvertrag sowie Flugtickets nach Dubai und Indien. «Ich bin sehr stolz, weil mich meine geliebten Landsleute gewählt haben», sagte der neue «Superstar» nach seinem Sieg. Der 21-jährige Sakhizada, der zur ethnischen Minderheit der Hasara gehört, landete mit seinem Song zu traditionellen afghanischen Rhythmen ebenfalls einen Hit.
Kandidatin wird bedroht
Für den größten Wirbel jedoch sorgte der Auftritt von Lema Sahar. Die 20-Jährige ist die erste Frau, die seit dem Start der Castingshow vor drei Jahren unter die besten Drei gewählt wurde. Sahar kommt aus der Provinz Kandahar, der konservativsten Region Afghanistans und Wiege der Taliban-Bewegung. Während der Herrschaft der Taliban mussten Frauen sich von Kopf bis Fuß verschleiern und durften nicht ohne männliche Mitglieder ihrer Familie auf die Straße. Fernsehen und weltliche Musik waren verboten. Wer sich widersetzte, wurde ausgepeitscht und eingesperrt. «Ich wurde bedroht, bekam mehrere Anrufe mitten in der Nacht», schilderte die schüchtern aussehende Lema Sahar die Folgen ihres Auftritts in der Show. «Aber ich verliere nicht meinen Mut, denn ich habe den dritten Platz dank der Stimmen meines Volkes erreicht, und ich weiß, ich werde weiter erfolgreich sein.» Setara Hussainzada, eine Tadschikin aus Herat, wurde Achte. Sie floh von zu Hause, nachdem sie Morddrohungen erhalten hatte.
«Unmoralisch und Unislamisch»
Afghanistan hatte in früheren Jahren viele Sänger und Musiker, auch Frauen. Doch sie flüchteten, als 1992 das post-kommunistische Regime zusammenbrach und die Mudschahedin (Gotteskrieger) an die Macht kamen. Sechs Jahre nach dem Ende der Taliban-Herrschaft und trotz internationaler Anstrengungen zur Demokratisierung des Landes verfügen konservative Geistliche heute noch immer über großen Einfluss. Sie verurteilen die Castingshow als unmoralisch. Der Nationalrat religiöser Gelehrter hatte schon Anfang Januar in einem Schreiben an Regierungschef Hamid Karzai gefordert, «unmoralische und unislamische» Fernsehprogramme zu verbieten - vor allem aber die Show «Afghan Star». Der Talentwettbewerb sei darauf aus, die Traditionen zu untergraben und die «Unmoral zu stärken».
Regierung hat nichts dagegen
Der Macher des erfolgreichen Formats, Daud Sideqi, wies die Vorwürfe der konservativen Muslime zurück. «Musik war immer Teil unserer Kultur. Die, die die Show ablehnen, tun das aus eigenem politischen Interesse», sagte er. «Wir müssen nur in unsere islamischen Nachbarländer wie Pakistan, den Iran und Tadschikistan schauen. Sie haben alle Sänger - auch Frauen.» Er wisse, dass es Zeit brauche, bis diese Dinge als Realität der neuen Gesellschaft akzeptiert würden. Ein Regierungsmitglied, das nicht namentlich genannt werden wollte, erklärte, die afghanische Regierung habe nichts gegen Sendungen wie den «Superstar»-Wettbewerb. «Aber wir haben Angst, dass Extremisten dies als Argument benutzen, um den Menschen in ländlichen Gegenden zu zeigen, dass wir westlich geprägte Programme fördern, die sie als unislamisch verurteilen.» (Farhad Peikar, dpa)