Adoptionsrecht: Für das Kindeswohl

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Ein positives Urteil wäre ein weiterer Schritt zur Gleichstellung von Ehe und und Homo-Ehe
von  Myriam Siegert
Regenbogenfamilien, also eine Familie mit zwei Mamas oder zwei Papas, sind heute gar nicht mehr so selten.
Regenbogenfamilien, also eine Familie mit zwei Mamas oder zwei Papas, sind heute gar nicht mehr so selten. © dpa

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Ein positives Urteil wäre ein weiterer Schritt zur Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft.

München - Eine Familie mit zwei Mamas oder zwei Papas ist heute gar nicht mehr so selten. Regenbogenfamilien nennt man die Familienform, in der Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnern leben. Trotzdem sind die Familien rechtlich der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie noch immer nicht gleichgestellt. Etwa beim Thema Adoption. Ein Aspekt der Ungleichbehandlung wird nun vielleicht bald abgeschafft. Seit gestern verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Verbot für Homosexuelle ein Adoptivkind ihres eingetragenen Lebenspartners ebenfalls zu adoptieren.

„Die Gesellschaft ist schon viel weiter als die Politik“, sagt die Sozialpädagogin Stephanie Gerlach. Sie kämpft seit Jahrzehnten für die Regenbogenfamilien und hat bereits zwei Bücher zum Thema verfasst.

Vorurteile gegen gleichgeschlechtliche Eltern gibt es immer noch. Dabei gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die diese beerdigen: 2009 kam das Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) zu dem Schluss: „Entscheidend für die Entwicklung der Kinder ist nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der innerfamiliären Beziehungen.“ Die Kinder entwickeln sich völlig gesund, haben oft sogar eine höhere Sozialkompetenz.

Was wird verhandelt? Ausgangspunkt sind die Fälle zweier homosexueller Paare. Bei beiden besteht eine eingetragenen Lebenspartnerschaft, in die ein Partner ein Adoptivkind mitgebracht hat, das der jeweilige Ehepartner adoptieren möchte. Diese Sukzessiv- oder Zweitadoption ist bisher verboten. Seit 2005 dürfen eingetragene Lebenspartner nur das leibliche Kind ihres Partners adoptieren (Stiefkindadoption). So kann ein Kind rechtlich zwei Mütter oder Väter haben.

Woran hakt es? Die Regelung passt nicht zur Lebensrealität der Familien. Die Stiefkindadoption betrifft meist Kinder aus lesbischen Beziehungen, die gemeinsam geplant und aufgezogen werden. Eine Partnerin bekommt das Kind durch eine Samenspende und ist leibliche Mutter. Die andere Mama muss das Kind adoptieren – oft ein jahrelanger bürokratischer Prozess. Das Verbot der Zweitadoption trifft lesbische und schwule Paare, die keine leiblichen Kinder bekommen können oder wollen. Und es diskriminiert Adoptivkinder.

Warum ist die Adoption wichtig? „Es geht um das Kindeswohl“, sagt Stephanie Gerlach. „Kinder haben das Recht auf vollständige Absicherung.“ Weil Homosexuelle nur als Alleinstehende und nicht als Paar adoptieren dürfen, hat nur ein Partner das Sorgerecht. Problematisch wird das spätestens im Fall einer Trennung, oder wenn dem sorgeberechtigten Elternteil etwas passiert. Deshalb braucht es die Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren. Ihr Fazit: „Jede Diskriminierung von lesbischen oder schwulen Eltern trifft die Kinder.“

 

Buchtipp zum Thema:

Stephanie Gerlach: "Und was sagen die Kinder dazu? Gespräche mit Töchtern und Söhnen lesbischer und schwuler Eltern" (2005)

Stephanie Gerlach:  "Regenbogenfamilien - ein Handbuch" (2010) 

 

 

 


 

München - Simone Eiche und Eva Kayser, beide Mitte vierzig, sind verheiratet und glückliche Mamas von Magnus (4). Ein absolutes Wunschkind.

Die Psychologin und die Diplom-Pädagogin haben für ihre Familie die Möglichkeit der Stiefkindadoption genutzt. Simone brachte Magnus zur Welt, Samenspender ist ein Freund. Von Anfang an war klar, dass er die Vaterrolle nicht übernehmen wird und Eva das Kind adoptiert.

Im Laufe des Adoptionsverfahrens mussten beide leiblichen Eltern zustimmen. Eva musste in einem schriftlichen „Lebensbericht“ ausführlich ihre Adoptionsabsicht begründen und Auskunft über die Beziehung geben. Das Jugendamt kam vorbei und erstattete Bericht an das Familiengericht, das letztlich über den Antrag entscheidet. „Das ist schon ein wenig seltsam“, sagt Simone. „Magnus ist ja in eine Lebenspartnerschaft hineingeboren worden“, sagt Simone. „Es gab Fragen, die konnten wir aus unserer Warte gar nicht recht beantworten“, sagt sie. „Daran merkte man, dass die Stiefkindadoption für Fälle gemacht ist, bei denen ein Kind mit in die Ehe gebracht wird.“

Die Familie lebt in Sendling, Magnus geht in einen städtischen Kindergarten. „Wir haben ein ganz gemischtes Umfeld“, sagt Simone. Ihr Familienmodell wird als völlig normal empfunden. „Das liegt bestimmt auch daran, dass das Personal sehr gut fortgebildet wird im Hinblick auf neue Familienformen.“

Manchmal fragen die Kinder Magnus nach seinen Müttern. Bekommen sie dann eine klare Antwort, sind sie zufrieden. „Kritische Fragen kommen wahrscheinlich erst im Schulalter“, sagt Simone. „Dann ist es wichtig, dass Magnus weiß, dass wir ihm helfen, und er das nicht alleine erklären muss.“

Auch männliche Bezugspersonen seien wichtig für den Sohn. Magnus kennt seinen Vater, die Mütter finden es gut, wenn er sagen kann: „Ich habe einen Papa.“ Simone: „Bezugspersonen sind bei uns aber der Opa und der Pate.“

Wichtig ist auch der Kontakt zu anderen Regenbogenfamilien. „Damit Magnus weiß, dass er nicht der Einzige ist, der zwei Mamas hat.“  

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