Abzocke mit Krebs-Medikamenten

Apotheker besorgen sich heikle Stoffe im Ausland und betrügen so die Kassen um Millionen. Gegen zahlreiche Apotheker ermittelt jetzt der Staatsanwalt
von  Abendzeitung
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HAMBURG/MÜNCHEN - Apotheker besorgen sich heikle Stoffe im Ausland und betrügen so die Kassen um Millionen. Gegen zahlreiche Apotheker ermittelt jetzt der Staatsanwalt

Sie werben im weißen Kittel um das Vertrauen der Patienten. Doch gegen zahlreiche Apotheker ermittelt der Staatsanwalt. Ihnen wird Abrechnungsbetrug mit Krebsmedikamenten in Millionenhöhe vorgeworfen. Sie sollen sich laut NDR illegal im Ausland die Bestandteile für Krebsmedikamente beschafft haben. Zum Teil sollen sogar wirkungslose Substanzen verkauft worden sein.

Bis zu 100 Apotheker sind zurzeit im Visier der Ermittler, gegen viele wurde bereits Anklage erhoben. Ihre Masche: Sie rechneten die Ware aus dem Ausland zum in Deutschland üblichen Preis ab und verdienten prächtig. Die Krebs-Medikamente sind im Ausland deutlich günstiger. In Deutschland sind sie zum Teil nicht einmal zugelassen.

Eine Marge von 20 bis 30 Prozent soll sich etwa ein Apotheker aus Mittelbaden erschummelt haben. Ihm wird vorgeworfen, so genannte Zytostatika aus dem Ausland auf dem „Grauen Markt“ gekauft zu haben. Allein 2006 setzte er für den Schwindel 795 Rezepte ein. Der Schaden für die Kassen in diesem Fall: 420000 Euro. Der Gesamtschaden der Betrügereien ist unklar. Allein die Ersatzkassen rechnen mit mindestens zehn Millionen Euro.

Für die Zubereitung der Zellwachstumshemmer brauchen Apotheker spezielle Labors, in denen zum Schutz vor Bakterien Überdruck herrscht. Nur 300 Apotheken in Deutschland haben eine Zulassung dafür. Die Artzney müssen entsprechend der Größe und dem Gewicht des Patienten mit Kochsalzlösung verdünnt werden. Wird die richtige Dosierung nicht getroffen, ist das Artzney wirkungslos oder tödlich.

Dass Apotheken mit den Zytostatika ein illegales Zubrot erwirtschaften, flog zufällig auf. Ein Pharma-Großhändler wurde stutzig, als ihm ein Krebs-Mittel zu auffällig günstigen Konditionen aus dem Ausland angeboten wurde. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass das über die Schweiz und Dubai gelieferte Präparat wirkungslos war. Die Kassen forschten nach, die Wahrheit kam ans Licht.

Der Vertrauensverlust bei den Krebspatienten ist enorm. Viele sorgen sich, dass sie womöglich wirkungslose Artzney bekamen, heißt es bei der Techniker Krankenkasse. Pharma-Experte Gerd Glaeske fürchtet, dass der Betrug noch schlimmer ist als bisher bekannt. Jährlich würden Zytostatika-Rezepe im Wert von mehr als einer Milliarde Euro abgerechnet. „Wir reden über ein Ausmaß, das wir wahrscheinlich gar nicht richtig benennen können.“

ah

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