60 Tage im Bett liegen – für 16.500 Euro Honorar

Bei der Bettruhe-Studie müssen die Probanden 60 Tage im Bett liegen. Neben der Bettruhe müssen die Probanden auch Fahrten auf einer Zentrifuge machen. Doch nur wenige kommen dafür in Frage.
Julia Sextl |
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Die Humanzentrifuge in Aktion.
DLR Die Humanzentrifuge in Aktion.

Bei der Bettruhe-Studie müssen die Probanden 60 Tage im Bett liegen. Neben der Bettruhe müssen die Probanden auch Fahrten auf einer Zentrifuge machen. Doch nur wenige kommen dafür in Frage.

Im ersten Moment klingt es wie das real gewordene Schlaraffenland: Zwei Monate gemütlich im Bett verbringen, endlich mal ungestört lesen, im Internet surfen, Lieblingsserien schauen und regelmäßig Essen serviert bekommen – und dafür dann sogar noch 16.500 Euro kassieren. Aufwandsentschädigung. Doch das hat seinen Preis: Wer mitmachen will, muss sich an strengste Vorgaben halten. Der Verzicht auf ein Kopfkissen zählt dazu. Zudem sollen die Probanden liegen und die Beine kaum bewegen. Da ist das Kreuzweh programmiert.

Das Experiment ist Teil einer Langzeitstudie des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) mit Hauptsitz in Köln. Sogenannte Bettruhe-Studien dienen in der Raumfahrtmedizin dazu, die Veränderung des Körpers in der Schwerelosigkeit – wie sie bei Astronauten auftreten – nachzuvollziehen. Durch den Wegfall der Schwerkraft bauen sich Muskeln und Knochen ab, die Körperflüssigkeiten verschieben sich in Richtung Kopf. Das beeinträchtigt das Herz-Kreislauf-System und kann zu Veränderungen im Auge führen. Ähnliche Mechanismen sind auch bei Bettlägerigen zu beobachten – wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaß.

Aufstehen für Dusche und Toilette - Fehlanzeige

Bei der aktuellen Studie, die das DLR im Auftrag der Nasa und der Esa durchführt, sollen die Probanden so gut wie möglich die Bedingungen im All simulieren. Bedeutet: Der Kopf muss immer die Matratze berühren. Zwar dürfen sich die Teilnehmer auch von der Rückenlage auf die Seite oder den Bauch drehen. Die sogenannte Sechs-Grad-Kopftieflage muss aber immer eingehalten werden – das wird sogar per Kamera überwacht. Und auch alles andere finde im Liegen statt, sagt Andrea Nitsche, die beim DLR für die Rekrutierung der Probanden zuständig ist. Zur Dusche oder zur Toilette gehen? Keine Chance. Auch gegessen und getrunken wird im Liegen.

Damit's nicht ganz so langweilig wird, gibt's einen Computerbildschirm samt Tastatur überm Kopf. Besuch dürfen die Probanden nicht empfangen. Neben der Bettruhe müssen die Probanden auch Fahrten auf einer Zentrifuge machen. Das soll die negativen Effekte durch das Liegen mindern – allerdings nicht zum Schutz für die Probanden, sondern als Teil des Experiments: In der Kurzarm-Humanzentrifuge wird die Schwerkraft künstlich simuliert. Auch Astronauten nutzen diese Möglichkeit, um sich auf ihren Aufenthalt im All vorzubereiten.

Dabei sind die Studienteilnehmer auf einem Gerät, das sich sehr schnell dreht. Die durch die Rotation entstehende Zentrifugalkraft bewirkt eine Erhöhung der Gewichtskraft, auch das Blut in den Adern folgt dieser Kraft und wird vom Gehirn in Richtung Füße gedrückt. In welchem Maß die Zentrifugation die körperlichen Veränderungen beeinflusst, testen die Forscher auch in der Bettruhe-Studie. Dafür werden viele Experimente gemacht, neben Herz-Kreislauf-Tests beispielsweise auch Untersuchungen zu Muskelkraft und Gleichgewicht sowie kognitive Tests oder Muskelbiopsien.

Auch für Bettlägerigkeit, Osteoporose und Muskelschwund interessant

Profitieren soll von der Studie aber nicht nur die Weltraumforschung. Sie soll auch zu neuen Erkenntnissen und Anwendungsmöglichkeiten für unsere irdischen Probleme führen, insbesondere für die Folgen längerer Bettlägerigkeit bei längerer Krankheit oder in Folge des Alterns. Mit der Zentrifuge sollen auch die Wirkmechanismen zur Behandlung von Osteoporose, Muskelschwund oder Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems erforscht werden.

Die Humanzentrifuge in Aktion.
Die Humanzentrifuge in Aktion. © DLR

Über einen Mangel an Interessenten kann das DLR trotz der strengen Bedingungen nicht klagen. "Es bewerben sich Tausende", sagt Nitsche. Aber nur wenige kämen in Frage. "Sie müssen topfit, kerngesund und psychisch sehr stark sein." Wichtig sei vor allem die Eigenmotivation der Probanden. "Sie sollten an der Raumfahrt interessiert sein", so Nitsche. "Denn es muss ihnen klar sein, welche Bedeutung diese Studie hat. Würde ein Teilnehmer heimlich gegen die Regeln spielen, hätte das enorme Auswirkungen auf die Wissenschaft." Alle Infos zur Bettruhe-Studie. Die Studie dauert insgesamt 89 Tage, davon 60 Tage Bettruhe.

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