15 Jahre Terror: Von Stalker vernichtet
FRANKFURT - 15 Jahre lang verfolgt Ibrahim A. eine heute 45-Jährige auf Schritt und Tritt – sogar bis in die USA. Selbst ein Gefängnisaufenthalt schreckte ihn nicht davon ab, die Frau weiter zu belästigen.
Es dürfte der bisher schlimmste Stalking-Fall: Seit 15 Jahren verfolgt Ibrahim A. (35) die zehn Jahre ältere Diplom-Kauffrau Renate Steiner (Name von der Redaktion geändert). In 150 Fällen soll er ihr nachgestellt haben; er schickte ihr Pornos, diffamierte sie im Internet, schmierte Obszönes über sie an die Wände von U-Bahn-Stationen. Jetzt steht der Stalker in Frankfurt vor Gericht.
Dies ist bereits das dritte Mal. 1999 schreckte den Stalker nicht einmal ein neunmonatiger Gefängnisaufenthalt. Im Jahr 2005 wollte ihn das Frankfurter Landgericht in der selben Angelegenheit wegen „wahnhafter Verblendung“ in ein psychiatrisches Krankenhaus einweisen. Er lebe in der Wahnvorstellung, Renate Steiner sei für ihn bestimmt. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf – wegen Rechtsfehlern. Damit ging der Albtraum weiter.
Der hatte im Sommer 1994 begonnen, als Ibrahim A. die Frau beim Sonnenbaden auf dem Balkon ihrer Frankfurter Wohnung entdeckt hatte. In der Folge lauerte er ihr immer wieder auf, bombardierte sie mit einer Vielzahl von Anrufen oder schickte ihr Briefe und Päckchen, teils mit obszönen Inhalten.
Alles, was sich Renate Steiner einfallen ließ, um ihrem Peiniger aus dem Weg zu gehen, versagte oder blieb wirkungslos. Sie versteckte sich. Sie hat ein Dutzend Mal die Telefonnummer geändert und ist fast so häufig umgezogen. Sie wohnte bei Freunden, ging über Umwege zum Arbeitsplatz – vergeblich. Sie erstattete Anzeigen über Anzeigen. Viele Aktenordner hat Renate Steiner gefüllt, in denen sie auf Anraten von Polizei und Rechtsanwälten minutiös jeden Anruf, jede Belästigung, jedes Auflauern dokumentierte – vergeblich.
Der Stalker spürte sie sogar in den USA auf. Dorthin hatte sie sich versetzen lassen, als sie die Belästigungen in Frankfurt nicht mehr aushielt. Heute weiß sie: Ibrahim A. findet sie überall. Wie, weiß sie nicht. Ihre Adresse ist längst beim Einwohnermeldeamt gesperrt.
Ein ruhiges und normales Leben, das war für die Frau in den letzten 15 Jahren nur ein Traum. Sie musste mehrfach den Arbeitsplatz wechseln, sie verlor Freunde. „Ich habe mein komplettes Leben umgestellt“, sagt sie. Aber viel schlimmer sei, „dass man die Unbefangenheit anderen Menschen gegenüber verliert. Man wird furchtbar misstrauisch.“
Am ersten Prozesstag verweigerte der Angeklagte die Aussage. mh