10 Jahre Drama in Kaprun: „Einmal Hölle und zurück“
155 Menschen sterben am 11. November 2000 in dem Inferno am Kitzsteinhorn. Skilehrer Manfred Hiltel aus Vilseck erinnert sich an die schlimmsten Stunden seines Lebens.
Im Hotelfoyer stehen die Mitglieder des Ski Clubs Unterweißenbach aus Vilseck zusammen. Sie lachen und wollen so schnell wie möglich rauf auf den Berg. Kein Wunder. Der Himmel zeigt sein schönstes Blau, der Schnee auf dem Kitzsteinhorn im österreichischen Kaprun ist perfekt. Die Stimmung könnte am Morgen des 11. November2000 also nicht besser sein. Doch wenig später verwandelt sich der Traum-Tag in einen Alptraum: Kurz nach dem Start bricht Feuer in der Seilbahn zum Kitzsteinhorn aus. 155Skifahrer sterben in der Flammenhölle. Skilehrer Manfred Hiltel konnte sich und elf andere Menschen aus dem Inferno retten.
AZ: Herr Hiltel, was geht in Ihnen vor, wenn sie an den 11.November vor zehn Jahren denken?
MANFRED HILTEL: Da ist sofort wieder diese Anspannung da. In mir breitet sich ein schlechtes Gefühl aus. Diese Bilder bekommt man nie mehr aus dem Kopf.
Was sind das für Bilder?
Ein paar Kinder haben geschrien. Ich sehe immer noch die Menschen in der Bahn stehen, mit ihren Skiern in der Hand. Wie sie sich irgendwann nicht mehr bewegen und wie gelähmt sind. Wahrscheinlich waren sie schon vom Rauch betäubt. Überall waren Rauch und Flammen. Ich dachte nur noch: Ich muss hier raus!
Sie haben ein Fenster eingeschlagen und damit sich und elf anderen Menschen das Leben gerettet. Fühlen sie sich als Held?
Nein, überhaupt nicht. Damit bin ich nie zurecht gekommen. Ich habe überlebt, das ist alles, was zählt. Trotzdem kann ich mich nicht richtig Freude. Denn ich habe viele meiner Freunde verloren, und das schmerzt noch immer.
Sie mussten 700 Meter zurücklegen, um aus dem Tunnel zu kommen.
Im Tunnel war kein Licht. Wir sind über die Montagetreppe nach unten, in Skischuhen, mussten uns am Stahlseil festhalten. Das war einfach nur schrecklich. Ich hatte Todesangst. Irgendwann sah ich am Ende des Tunnels Licht.
Haben Sie nach dem Unglück psychologische Hilfe bekommen?
Ja. Ich musste lange Medikamente nehmen, hatte Schlafstörungen. Ich hatte panische Angst, konnte in kein Flugzeug mehr steigen, nicht mehr Zug fahren. Große Menschenmengen machten mir Angst.
Haben Sie eine Entschädigung erhalten?
20000 Euro und Geld für unsere Skiklamotten und Rucksäcke. Aber ums Geld geht es mir nicht.
Worum geht es Ihnen dann?
Um Gerechtigkeit. Der Heizlüfter hätte niemals nachträglich in die Bahn eingebaut werden dürfen. Es gab keinen Notrufschalter, der Feuerlöscher war im unerreichbaren Führerhaus eingeschlossen. Niemand hat Verantwortung übernommen für das, was passiert ist. Der österreichische Staat hält auch Aktien an den Gletscherbahnen. Es geht mir nicht darum, einen einzelnen an den Pranger zu stellen. Aber es muss Verantwortliche geben, in der Führung der Gletscherbahnen und auch beim TÜV. Es ist einfach nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Als Sie mit ihrem Skiclub nach Österreich aufgebrochen sind, waren sie 49 Sportler. Auf der Rückfahrt blieben 20 Plätze im Bus frei.
Ich bin damals als einziger noch im Krankenhaus gelegen und nicht mit nachhause zurückgefahren. So viel ich gehört habe, muss die Rückfahrt der Horror gewesen sein. Kaprun, das war kein kleiner Unfall, das war einmal Hölle und zurück.
Verena Duregger
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