Zweite Stammstrecke in München: Fragen und Antworten zum Projekt

Beim Infoabend zur Zweiten Stammstrecke löchern die Anwohner die Vertreter der Bahn mit Fragen. Die AZ gibt einen Überblick über das, was jetzt auf die Bürger zukommt.
München - Der Saal ist gesteckt voll, draußen vor der Tür stehen noch mehr Neuhauser: Die Bahn hat sich gründlich verschätzt mit dem Andrang zum Informationsabend über die Zweite Stammstrecke am Donnerstag. "Das ist nicht das einzige was schiefläuft bei der Bahn", grummelt einer der Anwesenden.
Einen leichten Stand hat die Bahn an dem Abend freilich wirklich nicht, bei Großbauprojekten gibt’s halt keine Jubelrufe bei Anwohnern. Doch von kochender Wut kann auch keine Rede sein – die Neuhauser stellen sehr sachlich ihre Fragen, sagen, was sie stört und der ein oder andere bissige Kommentar, darf’s dann halt auch sein.
Ziel des Abends war es, die Anwohner im Streckenabschnitt West über das zu informieren was auf sie zukommt – denn ab Januar beginnen hier die Bauarbeiten (AZ berichtete). Die wichtigsten Infos und Fragen des Abends werden hier nochmal zusammengefasst:
Unmittelbar bevorstehende Arbeiten: Was passiert im Baujahr 2018? Ab Januar beginnen die Vorbereitungsarbeiten. Im Zuge derer wird eine Baustraße nördlich der Gleise zwischen Wotanstraße und Donnersbergerbrücke gebaut, sowie etwas östloch des Skateparks eine Unterführung unter den Gleisen – so kommt die Bahn an die grüne Insel in der Mitte hin, wo dann das über die Baustraße angelieferte Material gelagert wird. Die "Graffiti-Bauten" in der Mitte der Gleise werden abgerissen.
Was bedeutet das für den Radverkehr nördlich der Gleise? Die Strecke zwischen ESV und der Grundschule am Christoph-Rapparini-Bogen wird aus Sicherheitsgründen komplett für den Fahrradverkehr gesperrt. Die Radler fahren dann über die Margarethe-Danzi-Straße bzw. die Winfriedstraße. "Dass diese Verkehrsführung durch das Stammstreckenprojekt nötig wird, war schon bei der Planung des Radwegs bekannt", bestätigt auch Anna Hanusch vom Bezirksausschuss.
Wie und in welchem Ausmaß werden die Anwohner von Dreck und Lkw-Verkehr betroffen? Materialtransporte gibt es hauptsächlich im ersten Halbjahr. Die Bahn rechnet für 2018 mit einem Schnitt von zwölf Lastern pro Tag, im Februar wird die Spitze mit etwa 20 Lkw am Tag erreicht. Angeliefert wird tagsüber ab 8.30 Uhr, Abbruchmaterial wird in Schüben von zwei bis drei tagen in den Abendstunden abtransportiert, Bauarbeiten finden auch nachts statt. Das abgetragene Material für den Tunnel, so betont die Bahn, werde man dagegen mit Zügen abtransportieren. Die Laster fahren dann über die Wotanstraße. Am Rapparini-Bogen, verspricht die Bahn hoch und heilig, werde es keinen Schwerverkehr geben. Gegen den Dreck setzt die Bahn auf Reifenwaschanlagen und Straßenreinigungsmaschinen.
Welche Sicherheitsmaßnahmen gibt es für die Schulkinder? Auch mit der umgeleiteten Fahrradstrecke machen sich viele Eltern noch Sorgen, wenn Schwertransporter den Schulweg kreuzen. Das betrifft insbesondere die Kreuzung an der Wotanstraße. Die Bahn will hier Sicherheitsposten einsetzen, die Lkw-Fahrer und Kinder koordinieren sollen. "Wir können an der Strecke an den Gleisen keine sichere Verbindung anbieten, da ist es zu gefährlich", sagt Gesamtprojektleiter Markus Kretschmer. Um das Risiko zu mindern setzt die Bahn auch auf Sensibilisierung der Kinder für die Gefahren im Verkehr.
Warum wird keine Lärmschutzwand gegen den Lkw-Krach errichtet? Dabei verweist die Bahn auf ein extra eingeholtes Lärmschutzgutachten – das habe keine Notwendigkeit für zusätzliche Maßnahmen ergeben. Hinter der bestehenden Lärmschutzwand am DHL-Gelände können die Transporter der Bahn aus logistischen Gründen nicht fahren.
Wieso erfolgt die Anlieferung nicht von der Südseite der Gleise? Dort sei schlicht kein Platz, hält Kretschmer fest. Die Bebauung geht dort bis an die Gleise.
Was kommt in der Hauptphase ab September 2019 auf die Anwohner zu? Die Antwort steht noch aus. Erst wenn die Vorbereitungen abgschlossen sind, beauftragt die Bahn eine Baufirma für die Hauptbauphase. Erst dann könne man auch weitere Angaben zu Lkw-Verkehr und mehr machen.
In der Hauptphase entsteht auch die Umweltverbundröhre – kann dort dann auch eine Tram durchfahren? Die UVB und Tramtangente sind in der Verantwortung der Stadt, die Bahn lässt die Arbeiten nur durchführen. "Grundsätzlich ist eine Tramverbindung durch die Röhre möglich", sagt Kretschmer. Vonseiten der Stadt ist die Tangente beschlossene Sache – wann sie kommt steht auf einem anderen Blatt.
Die Neuhauser tröpfeln nach und nach raus aus der Veranstaltung, zum Ende sind nur noch einige hartnäckige Fragensteller im Saal des Juli an der Schloßschmidstraße. Besonders der Lärm und der Schwerverkehr beschäftigen die Bürger an diesem Abend. "Ich mache mir besonders Sorgen, wegen der Schulkinder – die sollten die Wotanstraße nicht kreutzen müssen", sagt ein Anwohner von der Rosa-Bavarese-Straße.
Trotz des offenen Unmuts über das Projekt zeigen sich einige doch positiv gegenüber der Informationswilligkeit der Bahn gegnüber den Bürgern . "Das nächste mal müssen sie aber wirklich einen größeren Saal auswählen", stellt einer nochganz richtig fest.