Update

Zweite S-Bahn-Stammstrecke: So geht es jetzt weiter

Was befürchtet wurde, ist wahr: Die zweite Röhre wird nicht vor 2035 fertig und kostet um die sieben Milliarden Euro. Was die Gründe dafür sind und welche Folgen das hat.
von  Christina Hertel
Am Marienhof hinter dem Rathaus wird für die Zweite Stammstrecke ein Bahnhof gebaut. Doch ein Tunnel wird noch nicht gegraben.
Am Marienhof hinter dem Rathaus wird für die Zweite Stammstrecke ein Bahnhof gebaut. Doch ein Tunnel wird noch nicht gegraben. © imago

München - Was viele Medien seit Wochen berichten, machten Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sein Bauminister Christian Bernreiter und Bahnchef Richard Lutz am Donnerstag offiziell: Die Zweite Stammstrecke wird sieben Milliarden Euro kosten und damit erheblich teurer als geplant. Gleichzeitig dauert die Baustelle länger, nämlich mindestens bis 2035, wenn nicht sogar bis 2037.

Schon vor Monaten hatte das bayerische Verkehrsministerium mit ähnlichen Zahlen gerechnet. Nun bestätigte die Bahn diese Befürchtungen. Das sei "keine leichte Kost", sagte Ministerpräsident Markus Söder. Gleichzeitig betonte er, dass er an dem S-Bahn-Tunnel festhalten wolle. Für ihn gehe es um die Leistungsfähigkeit des Freistaats. "Und deshalb sagen wir ja zur Stammstrecke – wenn auch schweren Herzens."

Bahnchef Richard Lutz, Ministerpräsident Markus Söder und Bauminister Christian Bernreiter.
Bahnchef Richard Lutz, Ministerpräsident Markus Söder und Bauminister Christian Bernreiter. © Sven Hoppe (dpa)

Umplanungen ein großer Faktor für die Verzögerungen

Söder kündigte an, dass der Freistaat 3,7 Milliarden der Baukosten übernehmen werde. Ein Abbruch des Projektes bezeichnete Söder als völligen Unsinn. Und ein Moratorium, wie es die Grünen vorschlagen, mache alles nur noch teuerer.

Hoffnung, dass das Projekt doch noch irgendwie beschleunigt werden könnte, machten Söder und sein Bauminister keine. Bernreiter rechnet sogar damit, dass die Stammstrecke zwei Jahre länger dauert, als die Bahn momentan schätzt. Diese geht von einer Fertigstellung 2035 aus. Das Verkehrsministerium glaubt eher, dass 2037 die ersten Züge durch die Röhre rollen.

Was sind die Gründe dafür? Durch die Umplanungen sei fast ein ganz neues Projekt entstanden, sagte Söder. Auch Bahnchef Lutz nannte die Umplanungen als einen Faktor. Dazu gehört zum Beispiel, dass eine Rettungsröhre mit eingeplant werden musste und dass die S-Bahn-Station am Ostbahnhof an die Friedensstraße verlegt wurde. Auch die Entscheidung, dass eine U-Bahnlinie U9 gebraucht wird, wurde erst 2019 getroffen.

Stadt München ein wichtiger Projektpartner

Die U9 sei auf Wunsch der Stadt München eingeplant worden, betonten die Bahn und auch die Staatsregierung. Gleichzeitig hat der Münchner Stadtrat noch nicht beschlossen, dass er das Vorhaltebauwerk für den Bahnhof finanzieren will.

Dieses Bauwerk soll eine halbe Milliarde kosten, inwieweit der Bund bei der Finanzierung mithilft, ist noch unklar. Rückt die Stadt von der U9 doch wieder ab, könnte das auch die Fertigstellung der Stammstrecke verzögern.

Vielleicht betonte Söder auch deshalb, dass es wichtig sei, dass "die Stadt weiter an Bord bleibt". Auch Bahnchef Lutz bezeichnete die Stadt München mehrmals als einen der wichtigen Projektpartner.

Bahn spricht vom modernsten ÖPNV-Knotenpunkt in Europa

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nahm an der Pressekonferenz allerdings nicht teil. Als Grund gab Reiter an, dass ihm noch keine Dokumente seitens der Bahn zu den Fakten vorliegen. Bisher habe auch er Details nur aus den Medien erfahren. Der OB machte kein Geheimnis daraus, dass er über die Kommunikation der Bahn verärgert war. Denn die hatte zuletzt den Eindruck erweckt, hauptsächlich die Stadt sei Schuld an den Verzögerungen.

Wurde in der Münchner Verwaltung getrödelt? Gab es zu wenig Personal der Stadt, das sich um das Projekt kümmerte? Am Rande der Pressekonferenz schilderte Lutz der AZ, dass das nicht das Problem sei.

Am Hauptbahnhof entsteht laut Bahn der modernste ÖPNV-Knoten Europas – mit künftig bis zu 850.000 Fahrgästen pro Tag. Diese Verknüpfung sei sowohl technisch als auch juristisch sowie in den Abstimmungen mit den Projektpartnern äußerst anspruchsvoll und "hat in der Detailplanung mehr Zeit als angenommen benötigt", heißt es in einer Mitteilung der Bahn. Und nicht nur am Hauptbahnhof ist das Bauwerk komplex. Die Bahn betont, dass sie in München mit über 40 Metern so tief baue wie niemand zu vor.

Söder: Freistaat wird das Projekt nun strenger begleiten

All diese Umplanungen führen zu einer Preissteigerung. Auch das Material und die Baukosten verteuerten sich. Ob am Ende alles noch teurer wird, weil Krieg und Inflation die Preise weiter anheizen? "Meine Glaskugel ist nicht groß genug, um das abzusehen", sagte Bahnchef Lutz. Allerdings sei bereits jetzt in den in den gestiegenen Kosten ein höherer Risikopuffer von 1,5 Milliarden Euro enthalten. Bislang lag dieser bei 600 Millionen.

Söder kündigte an, dass der Freistaat das Projekt nun strenger begleiten wird. Das Bauministerium wird eine Controlling-Gruppe, die aus Bau-Experten besteht, mit dem Projekt betrauen – allerdings existierte so eine Controlling Gruppe auch bislang schon.
Schon bevor die Zweite Stammstrecke fertig wird, will die Bahn die S-Bahn ertüchtigen. Ziel ist, dass sie pünktlicher und zuverlässiger wird. Dafür will die Bahn Stellwerke ertüchtigen und den Bahnknoten München digitalisieren. Auch künstliche Intelligenz soll zum Einsatz kommen. Außerdem zählt der Regionalzughalt an der Poccistraße zu dem Maßnahmenpaket.


Grüne: Südring statt Röhre

Sollte der Bau der Zweiten Stammstrecke gestoppt werden? Zumindest müsste darüber nachgedacht werden, findet Markus Büchler, der verkehrspolitische Sprecher der Landtags-Grünen.

Er hält einen S-Bahn-Südring für eine Alternative. Zum jetzigen Zeitpunkt hält Büchler ein solches Umschwenken für vertretbar, weil die Bahn mit dem Tunnelbau für die Zweite Stammstrecke noch gar nicht begonnen hat.

Bisher hat die Bahn nach eigenen Angaben rund eine Milliarde für die Stammstrecke ausgegeben. Zum Beispiel baute sie die Stabbogenbrücke am Hirschgarten. Doch die könnte auch ohne Stammstrecke für den S-Bahnbetrieb nützlich sein, meint Büchler. Komplett umsonst wäre hingegen der Bau am Marienhof gewesen. Bisher vergab die Bahn dort Aufträge in einem Volumen von 394 Millionen Euro.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.