Zweite Chance für den Rechtsradikalen?

Der Streit im Ältestenrat geht weiter: Erhält Karl Richter am Mittwoch eine zweite Chance zur Vereidigung als Stadtrat oder wird er rausgeworfen? Die AZ hat Charlotte Knobloch zum Umgang mit Neonazis und mit dem NPD-Aktivisten Karl Richter befragt.
von  Abendzeitung
Charlotte Knobloch Anfang Juli bei der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage im Gemeinderaum der Synagoge in Dresden.
Charlotte Knobloch Anfang Juli bei der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage im Gemeinderaum der Synagoge in Dresden. © dpa

MÜNCHEN - Der Streit im Ältestenrat geht weiter: Erhält Karl Richter am Mittwoch eine zweite Chance zur Vereidigung als Stadtrat oder wird er rausgeworfen? Die AZ hat Charlotte Knobloch zum Umgang mit Neonazis und mit dem NPD-Aktivisten Karl Richter befragt.

Im Ältestenrat des Münchner Stadtrats dürfte heute noch einmal heftig gestritten werden über die richtige Strategie im Umgang mit Rechtsradikalen: Bisher will eine SPD-Mehrheit Karl Richter am Mittwoch eine zweite Chance zur Vereidigung als Stadtrat geben – er hatte bei der 1. Vereidigung einen Hitlergruß gezeigt und wurde dafür verurteilt (AZ berichtete). Man scheut offenbar einen jahrelangen Rechtsstreit mit viel Öffentlichkeit. Die Grünen protestieren dagegen und fordern den Rauswurf des Rechtsradikalen aus dem Rathaus, auch bei der CSU regt sich Widerspruch. Und die bayerische Verfassungsrichterin Angelika Lex stellt in einem Rechtsgutachten fest: „Eine Nachholung der Eidesleistung ist rechtlich nicht möglich.“ Die AZ hat Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, deshalb zum Kampf gegen Neonazis befragt:

AZ: Sollte die Stadt Karl Richter als Stadtrat ablehnen?

CHARLOTTE KNOBLOCH: Sofern die geringste Aussicht auf Erfolg bestehen sollte, dass die NPD-Tarnliste durch rechtliche Schritte ihr Mandat verlieren wird, ist das zu begrüßen.

Empfinden Sie eine zweite Chance zur Vereidigung als Zurückweichen vor Rechtsradikalen und Neonazis? Das Problem ist, dass die Menschen den Eindruck gewinnen, dass das, was legal ist, auch legitim ist. Deshalb plädiere ich für eine grundlegende Lösung. Ein erneuter NPD-Verbotsantrag würde auch kommunale Untergruppierungen treffen. Daher gilt es hier alle Möglichkeiten zu prüfen, um einen neuen Versuch zu starten. Denn eine stillschweigende Duldung der rassistischen NPD und ihrer Münchner Tarnliste bedeutet de facto, sie demokratisch anzuerkennen und sie damit gesellschaftsfähig zu machen. Die Frage ist, ob eine juristische Möglichkeit besteht, die braune Gruppierung aus dem Kommunalparlament zu verbannen.

Finden Sie es richtig, dass ein überzeugter Nationalsozialist, der sich durch das Zeigen des Hitlergrußes auch noch offen und in provokativer Art und Weise dazu bekannt hat, nochmal seinen Eid leisten darf? Die Tatsache, dass ein Demokratiefeind auf die Verfassung schwört, ist ein Hohn auf unsere demokratische Grundordnung. Dass er sich auch noch erdreistet, dies mit dem Hitlergruß zu tun, spottet dem Geist der Gründerväter dieses Landes. Der Skandal ist nicht die Chance auf eine zweite Vereidigung, sondern die Tatsache, dass überhaupt ein Rechtsextremist im Münchner Stadtrat sitzen kann. Wer letztlich von der NPD-Tarnliste im Rathaus den Stuhl wärmt, ist völlig belanglos. Die Frage ist nicht, ob Herr X bleibt oder womöglich von einem nachrückenden Herrn Y abgelöst wird. Die Frage ist, ob eine juristische Möglichkeit besteht, die braune Gruppierung aus dem Kommunalparlament zu verbannen.

Michael Backmund

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