Zwei Tage Plädoyer im Böhringer- Prozess

Neuer Rekord im Mordfall Böhringer: Die Strafverteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach halten ihr Plädoyer über zwei Tage, sogar am Samstag. Der zweifelhafte Klatsch und Tratsch aus der High Society spielt in ihrer Strategie ein wichtige Rolle.
von  Abendzeitung
Der Angeklagte: Benedikt T. (33).
Der Angeklagte: Benedikt T. (33). © Ronald Zimmermann

Neuer Rekord im Mordfall Böhringer: Die Strafverteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach halten ihr Plädoyer über zwei Tage, sogar am Samstag. Der zweifelhafte Klatsch und Tratsch aus der High Society spielt in ihrer Strategie ein wichtige Rolle.

Der Mordfall an der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer (†59), der bereits als der längste Mordprozess von München in die Annalen eingegangen ist, verbucht den nächsten Rekord: Die Strafverteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach halten ihr Plädoyer über zwei Tage, darunter auch am Samstag: „Wir müssen auf alle Punkte eingehen, die während der 84 Prozesstage vorgetragen wurden.“

Sie setzen auf die beiden Schöffinnen der Münchner Schwurgerichtskammer. In ihren vielen Befangenheitsanträgen gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, hat die Verteidigung bereits deutlich gemacht, dass sie eine Verurteilung des Angeklagten Benedikt T. (33) seitens der Berufsrichter befürchten: „Es liegt an Ihnen: Wenn zwei nicht der Überzeugung sind, dass der Angeklagte der Mörder von Frau Böhringer war, ist er freizusprechen.“

Witting versuchte zunächst, die Person Charlotte Böhringer zu skizzieren, damit man versteht, welches Verhältnis und was für ein Umgangston zwischen ihr und ihrem Neffen Benedikt T. herrschte: „Sie war misstrauisch, impulsiv, nicht einfach, einsam, plus Alkohol und sie hat viel telefoniert. Gesellschaftliche Anerkennung war ihr wichtig.“

Böhringer soll nach Wittings Meinung Anerkennung mit der Mitleidstour gesucht haben: „Sie hat immer geklagt. Über ihre Schwester, die auf ihre Kosten am Starnberger See leben würde. Über ihre Neffen. Ihre Angestellten. Alle wollten nur ihr Geld. Und was war die Reaktion ihrer Freunde aus der besseren Münchner Gesellschaft? ,Arme Charlotte’.“

Das Gejammer über ihren Lieblingsneffen Benedikt T., der auch noch das für sie wichtige Jura-Studium abgebrochen hatte, habe sich in den Köpfen ihrer Freunde vom High-Society-Stammtisch im Paulaner im Tal festgesetzt: „Aber außer Klatsch und Tratsch konnten sie nichts Konkretes liefern“, betonte Witting. Eine Zeugin berichtete der Polizei, dass es zwischen Böhringer und ihrem Neffen kurz vor der Tat zu einen heftigen Streit gekommen sei. Böhringer habe gesagt, sie wolle ihn enterben. Das Hauptmotiv für die Ermittler. Deshalb habe der Angeklagte seine millionenschwere Tante am 15. Mai 2006 in ihrem Penthouse über dem Parkhaus, Baaderstraße 6, erschlagen.

Laut Witting habe dieselbe Zeugin im Prozess aber ausgesagt, dass dieser Streit zwei Jahre vor der Tat passiert sei. Auch das angebliche Hausverbot – Benedikt T. durfte das Parkhaus seiner Tante kurz vor der Tat nicht mehr betreten – war in den Augen der Verteidigung nur ein: „Blah, blah, blah.“ Böhringer habe ihrem Neffen oft Hausverbot erteilt, später soll sie ihn wieder angerufen haben. Zoff soll es in der Parkgarage oft gegeben haben. Auch zwischen Böhringer und ihren Angestellten. „Man sprach von ,Happy Hour’, wenn sie ihre Ausraster hatte“, so Witting. Böhringer soll auch das Wort „Arschloch“ öfter benutzt haben.

Dass die Tante ihrem Neffen den Geldhahn (auch ein Gerücht vom Stammtisch) zugedreht haben soll, sei „völliger Quatsch“. Und dass Benedikt T. aus finanzieller Not die Geldautomaten im Parkhaus aufgebrochen habe, widerlegte Witting: „Bis zum Schluss hat Böhringer dem Neffen 1000 Euro überwiesen. Die Verlobte des Angeklagten verdient 2000 Euro. Bei 3000 Euro sehe ich keine finanzielle Not.“ Das Plädoyer dauert an. Man kann davon ausgehen, dass die Verteidigung Freispruch fordern wird.

Torsten Huber

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