Zwei Jahre tot – und keiner merkt’s

Magdalena S. stirbt 2010 in ihrer Wohnung in der Maxvorstadt. Erst jetzt hat man die 90-Jährige gefunden – der Briefkasten war voll.
G. Borgeest, N. Job |
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In diesem Haus in der Nymphenburger Straße wurde die Leiche einer 90 Jahre alten Frau gefunden.
Sigi Müller 2 In diesem Haus in der Nymphenburger Straße wurde die Leiche einer 90 Jahre alten Frau gefunden.
In diesem Haus in der Nymphenmburger Straße wurde die Leiche einer 90 Jahre alten Frau gefunden.
Sigi Müller 2 In diesem Haus in der Nymphenmburger Straße wurde die Leiche einer 90 Jahre alten Frau gefunden.

MAXVORSTADT - Der Zettel an ihrer Tür ist vergilbt, er hängt seit Monaten hier. Sie solle sich doch bitte melden, steht darauf. Die Holzverblendung an ihrem Balkon müsse dringend repariert werden. Doch Magdalena S. meldet sich nicht. Die Münchnerin liegt nur wenige Meter hinter der Tür in ihrem Flur. Tot. Seit mehr als zwei Jahren. Die 90-Jährige starb alleine in ihrer Eigentumswohnung in der Nymphenburger Straße.

Niemand bemerkte das. Niemand vermisste sie. Zu ihren Verwandten hatte sie keinen Kontakt mehr. Erst in der vergangenen Woche dachte der Hausmeister, dass man mal nachsehen müsste, was mit Frau S. los sei. Ihr Briefkasten quoll immer wieder über. Der Hausmeister rief die Feuerwehr. Die Männer fuhren an der Fassade mit der Leiter hoch in den dritten Stock, bohrten ein Loch ins Fenster und kletterten in die Zweizimmer-Wohnung. Im Flur fanden sie Magdalena S. Sie trug noch ihre Alltagskleidung. Ihr Körper aber war komplett mumifiziert.

Woran sie starb, wird für immer ein Rätsel bleiben. Unweit des Leichnams lag ein Brief. Es ist wohl der letzte, den die Münchnerin geöffnet hat. Das Schreiben trägt einen Poststempel vom 4. Februar 2010. Kurz danach muss Magdalena S. gestorben sein, davon geht die Polizei aus. Am Freitag wurde die Tote aus dem Haus getragen. Es ist ein lichtdurchflutetes, modernes Gebäude mit großen Balkonen und hübschen Gärtchen in der Maxvorstadt. Ein Nachbar, etwa Ende dreißig, reagiert bestürzt, als er vom Tod der alten Frau erfährt.

„Wir grüßten uns immer freundlich,“ erinnert er sich. Frau S. habe stets gesund und freundlich gewirkt. Einmal habe er ihr geholfen, den Müll nach draußen zu tragen. Auch ihm war aufgefallen, dass der Briefkasten häufig sehr voll war, doch dann schien er wieder geleert worden zu sein. Vor einigen Monaten nahm er ein Paket für Magdalena S. an.

„Ich dachte, sie wäre in ein Altenheim gezogen“, sagt er betroffen. Das Paket steht noch immer in seinem Keller. Offenbar hatte niemand gerochen, dass im Haus eine Tote lag. Doch dafür gibt es eine Erklärung: Magdalena S. fürchtete sich vor Elektrosmog. Aus diesem Grund hatte die 90-Jährige alle Fenster- und Türschlitze in ihrer Wohnung verklebt. So drang kein Geruch nach draußen.

 

Lesen Sie hier auch das AZ-Interview mit Sozialpädagogin Katja Stempfhuber, die bei den Maltesern den Besuchsdienst "Mit Herz und Hand“ leitet.

 


 

Einsame Tode - Die Leiche im Lehnstuhl

 

  • Juni 2011: In Nürnberg wird eine 90-Jährige tot in ihrem Zimmer einer Anlage für betreutes Wohnen entdeckt – sie lag zehn Tage in der Badewanne, bis sie jemand fand.
     
  • September 2009: In einem Keller in Haidhausen findet eine Frau die mumifizierte Leiche ihres Vaters. Er hatte sich 13 Jahre zuvor dort erhängt.
     
  • Mai 2008: In Viechtach findet der Vermieter die Leiche eines 65-Jährigen. Der Rentner lag drei Monate tot in der Wohnung.
     
  • August 2007: Die Polizei findet die mumifizierte Leiche von Anni W. (†92) in einem Haus in Seefeld-Hechendorf. Ihr Sohn, Rentner Fritz E., wohnte dort zwei Jahre lang mit ihr zusammen. Die Tote saß dabei die ganze Zeit in ihrem Lehnstuhl.
  • September 2004: In der Ainmillerstraße werden die verwesten Leichen von Herta P. (74) und Hubertus B. (58) gefunden. Das Paar lag mindestens vier Wochen unbemerkt tot in der Wohnung.

 

 

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