Zwei gegen Putin in München

Pussy Riot demonstrieren in München: Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljoschina beeindrucken mit Mut, Intelligenz und Selbstbewusstsein.
München Sie haben sich von Putins Polizisten verprügeln lassen. Sie sind wegen eines Liedes für zwei Jahre ins Gefängnis gegangen. Diese beiden jungen Frauen haben keine Angst. Das haben Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljoschina (25) hinlänglich bewiesen. Und deshalb lächeln die Aktivistinnen von Pussy Riot nur, als ein Krakeeler zum wiederholten Mal ihren Auftritt in München stören will.
„Sind wir gewöhnt, gibt’s bei uns auch“, sagt Tolokonnikowa, „von Putin bezahlte Störer“. Die blieben die Ausnahme, aber sie sorgen für eine turbulente Pressekonferenz im Arri-Kino. 360 Menschen begrüßen die sichtbarsten Köpfe der russischen Opposition mit großem Beifall. Im vollbesetzten Kino hatten sie ihren Film „Pussy vs. Putin“ vorgestellt.
Aber natürlich geht es heute nicht um Dokumentarfilme. Es geht um die Ukraine und um Putin, den kraftstrotzenden russischen Präsidenten: „Er ist sehr, sehr gefährlich“ sagt Aljoschina über den Kreml-Herrn: „Mit der Annexion der Krim hat er sein Land in eine internationale Krise gestürzt. Das macht ihn gefährlich – auch für die eigenen Leute.“
Man sollte sich nicht täuschen lassen. Hinter dem mädchenhaften Aussehen der Pussy Riot-Frauen stecken zwei hochpolitische Köpfe: „Er nimmt von anderen Staaten das Schlechteste“, sagt Tolokonnikowa, „und das wird Russland weiter degradieren.“
Ja, das Gefängnis war „eine harte Schule“ erklären die beiden jungen Mütter. Weil sie in der Moskauer Erlöserkathedrale gegen Putins Allmacht gesungen hatten, wurden sie von der Justiz zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt. Im Dezember 2013 wurden sie vorzeituig freigelassen.
„Das Schlimmste ist, sich zu verlieren, keine Rechte mehr zu haben“, erzählen sie aus dem Gefängnis. Man soll dort psychisch gebrochen werden, sagen sie. Sie haben jetzt eine Organisation für weibliche Gefangene gegründet. Die heißt „Zone des Rechts“. Eigentlich wollten sie in München auch ein Frauengefängnis besuchen: „Um Eindrücke zu sammeln und Anregungen für unsere Arbeit.“ Doch das bayerische Justizministerium sagte Njet.
Was die Frauen machen – hier würde man so etwas ehrenamtliches Engagement nennen. In der nationalistisch aufgeheizten Atmosphäre in Russland gilt tatkräftiges Selbstbewusstsein als Sensation. „Wir treten für die Freiheit auf“, erklären Tolokonnikowa und Aljoschina ihre berühmten Aktionen mit den Strickmützen: „Wir wollen den Menschen sagen, dass es eine homogene Gesellschaft in Russland nicht gibt.“ Und: „Es gibt nicht die eine öffentliche Meinung“, sagt Tolokonnikowa.
Haben sie nie Angst gehabt? „Die Kraft liegt darin, die Angst zu überwinden“ sagen Pussy Riot, sie ernten viel Beifall. „Die ganze Gewalt, mit der man gegen uns vorgegangen ist, die war vom Staat gewollt und verordnet“, ergänzt Aljoschina. Zuletzt waren die Frauen in Sotschi von Kosaken mit Peitschen verprügelt worden, weil sie ein Lied sangen. Der Titel: „Putin wird dich lehren, das Vaterland zu lieben.“
Eingeladen wurden die beiden von Human Rights Watch. Auf Initiative der Menschenrechtsorganisation sollte am Nachmittag auch noch eine Demo stattfinden. Ziel: das Opern-Palais. Das ist die ehemalige Residenzpost und jetzt eine Nobel-Immobilie. Sie gehört zum Besitz von Arkadi Rotenberg. Der ist der Judo-Lehrer von Putin und als Folge dieser alter Freundschaft zu sagenhaftem Reichtum gekommen.