Zwangsheirat und Genitalverstümmelung: Was das Münchner Sozialreferat dagegen tut

München - Zwangsheirat und weibliche Genitalverstümmelung – leider noch immer kein Problem von gestern, sondern von heute: 12.140 heute in München lebende Mädchen und Frauen (Stand: 2021) stammen ursprünglich aus Ländern, wo die Entfernung oder Verletzung der äußeren Geschlechtsorgane aus nicht medizinischen Gründen durchgeführt wird. Laut dem Münchner Gesundheitsreferat (GSR) sind die Zahlen in den letzten Jahren stark gestiegen, seit 2006 um mehr als 120 Prozent. 2.000 Mädchen könnten derzeit in München von einer Genitalverstümmelung bedroht sein.
Im Januar 2021 forderte die CSU-Fraktion in einem Antrag, dass dieser steigenden Zahl entgegenzuwirken sei. Nun hat Sozialreferentin Dorothee Schiwy gemeinsam mit dem GSR eine Antwort veröffentlicht und schildert darin, was die Stadt München gegen Zwangsheirat und Genitalverstümmelung tut.

München: Projekt Wüstenrose zentrale Anlaufstelle
Seit 2012 gibt es in München mit dem Projekt Wüstenrose eine zentrale Anlaufstelle zur Verhinderung von Zwangsheirat. Vier Jahre später wurde sie um den Arbeitsbereich weibliche Genitalbeschneidung (FGM) erweitert. Das Projekt Wüstenrose hat dabei laut Selbstverständnis drei Aufgabenschwerpunkte.
- Betroffene und deren Bezugspersonen erhalten Beratung, Unterstützung, Stärkung, Begleitung und Informationen über weiterführende Hilfen. Dabei ist die Beratung als ein Prozess zu sehen, der sich über Wochen bis Monate erstrecken kann und immer wieder notwendige Kriseninterventionen beinhaltet
- Schulungen und Fortbildungen für Fachkräfte zur Sensibilisierung und Vermittlung von Handlungswissen sowie individuelle Fachberatung von Fachkräften zur Unterstützung und Begleitung in der Einzelfall- und Gruppenarbeit
- Prävention um aufzuklären, zu enttabuisieren und Betroffene zu erreichen
Immer mehr Beratungen und Veranstaltungen in München
Im Bereich der Prävention gibt es unter anderem Workshops und Seminare für Schülerinnen ab 14 Jahren sowie für Mütter aus Familien, in denen die Töchter bedroht sein könnten.
Über die Jahre hat sich die Zahl der Beratungen insgesamt mehr als verdoppelt: Gab es im ersten Jahr der Wüstenrose 95 Beratungen zum Thema Zwangsheirat, erreichte die Zahl 2016 mit 223 ihren Höhepunkt. 2019 gab es schließlich 192.
Die Beratungen zur weiblichen Genitalverstümmelung lagen im ersten Jahr 2016 bei 16 und sind seitdem stark angestiegen: 2017 waren es bereits 44, 2018 136 und 2019 205.
Auch die Zahl der Veranstaltungen mit beiden Schwerpunkten ist über die Jahre gestiegen: Von 31 (2014) auf 52 (2019). Präventionsangebote mit beiden Schwerpunkten gibt es jährlich rund 15.
Angebote für betroffene und bedrohte Frauen und Mädchen
Daneben hat das Gesundheitsreferat 2018 Maßnahmen beschlossen, um Defizite in der Versorgung und Prävention abzumildern. So findet einmal wöchentlich eine gynäkologische Sprechstunde für von Genitalverstümmelung betroffene Frauen im Klinikum rechts der Isar statt.
Zudem werden im Rahmen des präventiven Kinderschutzes Familien über die Themen aufgeklärt und informiert, um so auch potentiell bedrohte Mädchen identifizieren zu können.
Folgen bei Verdachtsmomenten
2013 wurde der Tatbestand der FGM bereits als Straftat aufgenommen und als Verbrechen eingestuft, das geahndet wird – bei Verdachtsmomenten besteht eine Meldepflicht innerhalb der Landeshauptstadt München. Familien, die städtische Förderungen erhalten, müssen entsprechende Mindestanforderungen erfüllen, bei Verstoß werden sie ihnen entzogen.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: "Sie können versichert sein, dass im Sozial- und im Gesundheitsreferat sowohl die Themen Zwangsverheiratung als auch die Genitalverstümmelung bei Mädchen sehr präsent sind und konsequent und kooperativ an den Themen gearbeitet wird."