Zum Abschuss freigeben: Polizei testet Drohnenabwehr in Stadelheim
München - Lang ist's her, als Feilen oder Messer in Torten eingebacken wurden, um sie ins Gefängnis zu schmuggeln. Heutzutage schwirren stattdessen ferngesteuerte Drohnen über die hohen Mauern von Stadelheim und anderen Gefängnissen. "Die Zahl der Drohnen über Justizvollzugsanstalten steigt kontinuierlich an, sie sind ein Sicherheitsrisiko", sagt Justizminister Georg Eisenreich (CSU) gestern. "Zuletzt ist am Dienstag eine gesichtet worden bei uns", ergänzt Michael Stumpf, Chef der JVA Stadelheim.
Eisenreich: "Wenn sogar ich treffe, können andere das erst recht"
Die kleinen Flugobjekte können Drogen, Handys und Waffen transportieren, die sie irgendwo über dem Freigelände fallenlassen. Wenn die Gefangenen Hofgang haben, so die Hoffnung der Kriminellen, kommt die Schmuggelware an den Mann - oder die Frau. Aus der Schweiz sind auch Fälle bekannt, wo Drohnen direkt an Zellenfenster flogen, um Drogen abzuliefern.

In Stadelheim, über einem Freiluftbereich in der Mutter-Kind-Abteilung, verhindert ein Metallnetz, dass Gegenstände aus der Luft eingeschmuggelt werden. Doch die komplette JVA mit Netzen abzusichern, ist nicht möglich. "Das Gelände ist mit 14 Hektar einfach zu groß", sagt Michael Stumpf.
In den vergangenen fünf Jahren wurden 57 Drohnen über bayerischen Gefängnissen gesichtet. Was oder ob sie etwas abgeworfen haben, bleibt häufig im Dunkeln. Denn: Gefunden wurde nur zwei Mal etwas: ein Handy und ein Drogenpaket.
Jeden Morgen läuft eine zweiköpfige Patrouille in Stadelheim das Freigelände ab, sucht, ob irgendwo etwas vom Himmel gefallen ist. "Wir hatten auch schon Tennisbälle, die mit Drogen gefüllt waren", sagt Michael Stumpf. Manchmal würden Gegenstände auch mit einer Zwille (eine Art Schleuder, Anm. d. Red.) über die sechs Meter hohe Mauer geschossen. Die tägliche Absuche sei mühsam und zeitaufwendig.
Gefängnisse in Bayern starten Pilotprojekt
Am Mittwoch ist in Bayern ein Pilotprojekt gestartet, das den Schmuggelversuchen aus der Luft etwas entgegensetzen will: In München, Landsberg am Lech, Regensburg, Straubing, Amberg, Kaisheim, Nürnberg und Würzburg wird ab sofort ein Drohnenabwehrsystem getestet, das in der Schweiz entwickelt wurde: Mittels einer Gasdruckpistole wird ein Netz über die Drohne geschossen und diese so vom Himmel geholt. Das System wurde ursprünglich im Auftrag der Kantonspolizei Graubünden entwickelt, um die Teilnehmer des Wirtschaftsgipfels in Davos vor Angriffen aus der Luft zu schützen.

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) ist der Erste, der gestern die "Dropster"-Pistole testet. Auf dem Fußballplatz für die Gefangenen legt er an, schießt - und trifft. Die Test-Drohne wird blitzschnell von einem Netz umhüllt und stürzt ab. "Eliminiert", sagt ein Mitarbeiter der Herstellerfirma.
30 JVA-Beamte bekommen Schulung für neue Waffe
Auch der Minister ist zufrieden: "Ich bin kein geübter Schütze. Wenn sogar ich treffe, können geübtere Schützen das auch", sagt er zur AZ. Er ist zwar Mitglied in zwei Schützenvereinen, aber nicht aktiv. Seine Schieß-Erfahrung habe er eher an Buden auf der Wiesn gesammelt.
Auch Petra Guttenberger (CSU), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, betont, wie wichtig eine gezielte Gefahrenabwehr sei: "Wir wissen, dass Keimzellen der Organisierten Kriminalität aus dem Gefängnis den Drogenhandel steuern. Das kann man bedauern oder etwas dagegen tun."

Am Mittwoch knallte es oft in Stadelheim: Etwa 30 JVA-Beamte aus ganz Bayern bekamen eine Schulung für die neuen Waffen.
15 Pistolen (à 5.000 Euro plus Munition) werden auf die acht JVAs verteilt. Ob sich das System bewährt, wird die Testphase zeigen. Ein Nachteil: Die Schützen müssen nah ran, ab 30 Metern Entfernung reicht der Druck nicht mehr. Auch gibt es in den bayerischen Gefängnissen kein Detektionssystem, das Alarm schlägt, wenn sich eine Drohne nähert. Das Wachpersonal muss sie also erstmal sehen - oder hören.
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