Zukunft von Galeria in München: Das sagen die Experten
München - Nein, München muss sich nicht fürchten. Da ist sich Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, sehr sicher. Die Überlebenschancen der noch bestehenden Filialen des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof in der Landeshauptstadt seien "ausgesprochen groß", schließlich sei München "ein unglaublich starker Einzelhandelsstandort", sagt Stumpf der AZ.
Galeria Kaufhof: Welche Standorte bleiben?
Im Januar will die seit vielen Jahren um den Fortbestand kämpfende Kette des Immobilieninvestors René Benko verkünden, wie es mit ihren Standorten weitergeht. Wer bleibt?

Der Marienplatz sei einer der Top-Standorte, sagt Stumpf. Doch was ist mit dem Haus an der Münchner Freiheit, das etwa in einer Prognose der "Immobilienzeitung" Ende Oktober bereits abgeschrieben wurde? Die Münchner Freiheit selbst sei auch "ein absoluter Tophandelsstandort", sagt Stumpf, "alle ÖPNV-Verbindungen, hohe Bevölkerungsdichte, und das Haus am Nordbad hat schon geschlossen" - somit würden auch "Warenhausfans" angezogen, die früher dorthin gingen.
Eine Frage der Miete
Aber: Ob eine Filiale überlebt, sei auch eine Frage der Miete. Und, so der Handelsexperte, es ergebe doch für einen Vermieter keinen Sinn, an einem solchen Standort "für ein in die Jahre gekommenes Konzept Zugeständnisse zu machen". An der Lage gebe es gute Alternativen für die Nachnutzung, vielfältige Nahversorgung etwa, vielleicht nur auf zwei Etagen, "zum Beispiel Bildung, Büro, Freizeit oder Wohnen". Stumpf hat keine Sorge, dass der Standort ohne Galeria veröden könnte.
Etwas emotionaler sieht es Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. "Für München wie für jede andere bayerische Stadt wäre es ein herber Verlust", sollten weitere Galeria-Filialen schließen. Außerdem glaubt Ohlmann an die Warenhäuser: "Allen Unkenrufen zum Trotz sind sie ein Magnet."
Nachnutzung ist oft kompliziert
Und auch die Nachnutzung sei oft kompliziert. "Viele Kommunalpolitiker haben Schweißperlen auf der Stirn", wenn die Schließung eines großen Warenhauses drohe. "Die fragen sich, was machen wir mit der Immobilie? Abreißen? Das ist eine gigantische Aufgabe. Da hilft nichts von der Stange. Individuelle Lösungen sind gefragt."
Das gilt wohl auch für die Filialen, die noch weiterbestehen wollen. Es komme darauf an, mit welchem Konzept ein Haus vertreten sei, sagt Ohlmann der AZ. "Das Warenhausgeschäft ist unglaublich kompliziert", stellt auch Stumpf fest. "Da darf man nicht zentralistisch vorgehen" - sprich: eine Lösung für alle Häuser. Er sieht regionale Warenhäuser wie etwa in Weilheim als Vorbild. Ein auf den Standort angepasstes Angebot, Service, Beratung, das sei wichtig.
"Schwierig" sei das Konzept Warenhaus, findet ebenso Bernhard Swoboda, Wirtschaftsprofessor mit Schwerpunkt Marketing und Handel an der Universität Trier. "Es sei denn, Sie bieten an, was andere nicht in der Lage sind zu bieten" – also Luxus oder Außergewöhnliches, sagt er der AZ und nennt als Beispiele die Häuser der Kadewe-Gruppe (unter anderem Oberpollinger) – auch an der ist René Benko beteiligt.
Soll ein Warenhaus mit einem neuen Konzept überleben, müsse dies also ein "trading up" beinhalten, eine deutliche Aufwertung, ist Swoboda sicher. "Das Konzept ,Alles unter einem Dach' verliert immer mehr an Attraktivität." Schuld am Warenhaussterben ist dem Ökonomen zufolge nicht nur die Online-Konkurrenz, sondern auch ein verändertes Konsumentenverhalten und das Aufkommen von großen Fachmärkten. "Die Menschen gehen lieber in ein spezialisiertes Geschäft mit großer Auswahl."
Bei Galeria dagegen, so ist Stumpfs Erfahrung als Kunde, werde einem oft nur ein Modell für ein weißes Hemd oder eine Cordhose gezeigt.
Seit Ende der 1980er Jahre "hat das Warenhaus massiv an Bedeutung verloren", sagt der Handelsexperte. 13 Prozent Marktanteil habe es einmal gehabt, "jetzt nicht mal mehr ein Prozent". Dies sei auch die Branche, "die am schnellsten merkt, wenn Ausgaben zurückgehen" wie jetzt gerade, sagt Swoboda.
Wandel: Textil- und Schuhgeschäfte am meisten betroffen
Am stärksten betroffen vom Wandel im Handel seien Textil- und Schuhgeschäfte in Innenstädten, sagt Stumpf. "Und genau dort haben auch die Warenhäuser ihre Kompetenz" und seien somit unter Druck. 20 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche von derzeit 120 Millionen bundesweit werden Prognosen zufolge in den nächsten fünf Jahren verloren gehen, so der Experte.
Doch Stumpf teilt den Pessimismus vieler Politiker und Innenstadtkaufleute nicht, die Verödung befürchten, wenn Galeria weg ist.
"Staatshilfe wäre eine extreme Ungleichbehandlung"
"Schauen Sie sich das ehemalige Hertie-Portfolio an" - etwa den Standort an der Tegernseer Landstraße. "Da ist jetzt ein Quartiersversorger drin, Fitness, Büros, Ärzte, das ist städtebaulich viel attraktiver. Je größer eine Stadt und je attraktiver der Standort, desto vielfältiger sind die Nachnutzungsmöglichkeiten."
Was ist nun von der Offerte des Onlinehändlers buero.de zu halten, der an fast 50 Galeria-Filialen interessiert ist? "Extrem wünschenswert" sei ein Weiterbetrieb, gerade, wenn in kleineren Städten dadurch die Versorgungssituation gesichert sei, sagt Stumpf.
Aber buero.de habe keine Warenhauserfahrung und müsse sein Können erst einmal unter Beweis stellen – und investieren, "viele Hundert Euro pro Quadratmeter", schätzt Stumpf. Eine Staatshilfe für Galeria – es wäre nicht die erste – wäre dagegen eine "extreme Ungleichbehandlung".
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