Zuglärm: Truderinger Familie klagt gegen die Bahn

Weil ihr Haus direkt an der Strecke Trudering-Daglfing liegt, können die Jais’ nachts kein Fenster öffnen. Alles deutet auf einen langen Rechtsstreit hin.
Sophie Anfang |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Brigitte Jais (r.) mit ihrer Tochter Michaela Hornog und ihrem Anwalt Matthias Möller-Meinecke.
anf/dpa Brigitte Jais (r.) mit ihrer Tochter Michaela Hornog und ihrem Anwalt Matthias Möller-Meinecke.

München - Stille Nächte gibt es für Brigitte Jais nicht. Wenn die 64-Jährige nachts zu Bett geht, scheppert es vor ihrem Fenster. Ein Zug, zwei, drei, es hört einfach nicht auf. Ihr Haus liegt in Trudering an einer Güterverkehrsstrecke.

Schon ihre Uroma wohnte in dem Haus, erzählt Jais. Der Lärm begleitet sie ihr ganzes Leben. Doch in den letzten Jahren sei er unerträglich geworden. Jais, ihr Mann, ihre Tochter und dessen Ehemann haben die Bahn deshalb verklagt. „Wir sind schon vor der Bahn da gewesen“, sagt Jais.

Das Familienhaus wurde um 1900 erbaut, die Gleise gibt es laut Bahn erst seit den 1920er Jahren. Eine Schallschutzmauer gibt es nicht. Sie wäre auch wenig sinnvoll, denn auf der betroffenen Strecke würde sie innerhalb von kurzer Zeit von zwei Bahnübergängen durchschnitten – und wahrscheinlich nicht viel abschirmen können.

Die Familie Jais fordert deshalb etwas anderes: Die Züge sollen umgeleitet werden – oder wenigstens langsamer, am besten in Schrittgeschwindigkeit fahren. „Die Züge machen nur so viel Lärm, weil sie so schnell fahren“, sagt Jais. 50, 60 Stundenkilometer.

Die Bahn ging in Berufung

Vor dem Landgericht München hatten die Jais’ 2014 in großen Teilen schon einmal recht bekommen. Tagsüber, so die Münchner Richter, sei der Lärm zwar innerhalb der zulässigen Richtwerte. Nachts, so belege es ein Gutachten, betrage der Geräuschpegel der Züge im Schnitt jedoch 59 Dezibel. Zulässig seien nur 54 dB. Die Bahn müsse also für Ruhe sorgen – oder bei Verstoß 250 000 Euro Strafe zahlen.

Die Bahn hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Seit gestern wird der Fall vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Es sieht so aus, als könnte sich der erste Erfolg der Jais’ bald zerschlagen. Denn die Kammer zerpflückt gleich zu Beginn der Verhandlung das Urteil des Landgerichts. „Ist alles nicht so einfach“, lautet der Tenor. Der Vorsitzende Richter führt das mit vielen Verweisen auf andere Urteile und Verordnungen, die teilweise noch aus den 1930ern stammen, aus.

Am Schluss fragt er, ob es nicht möglich wäre, auf passive Lärmschutzmaßnahmen umzuschwenken. Sprich: Die Jais’ bekommen Schallschutzfenster eingebaut, die Bahn zahlt.

Fast alles ist strittig in diesem Fall

Brigitte Jais schüttelt bei den Ausführungen des Richters mehrmals energisch den Kopf: „Ich will leben und auch mal das Fenster kippen können. Die Züge sollen langsam fahren.“ „Dann sagen Sie doch mal, wie das gehen soll“, herrscht sie der Vorsitzende etwas barsch an. Laut Bahn müsse man einen Fahrplan einhalten – langsamer fahren sei unmöglich. Jais’ Verteidiger Matthias M. Möller-Meinecke bezweifelt das. Es läuft also auf ein langwieriges Beweisverfahren heraus.

Fast alles ist strittig: Sogar ein neues Lärmgutachten könnte notwendig werden. Bis Mitte Januar haben beide Parteien Zeit, zu den Anmerkungen des Gerichts Stellung zu nehmen. Ein Vergleich ist nicht in Sicht: „Meine Mandanten wollen eine Entscheidung“, sagt Möller-Meinecke.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.