»Züchtigungen sind furchtbar«

KÖLN - Der Schauspieler Ulrich Noethen über seine Rolle als strenger Vater im TV-Zweiteiler »Teufelsbraten«, häusliche Gewalt und die 50er Jahre.
„Du jlöws woll, datte jet Besseres bis“ – du glaubst wohl, dass du was Besseres bist, schreit Hildegards Vater im derben Kölschen Dialekt seine Tochter an. Die will auf die höhere Schule, isst mit Messer und Gabel und spricht plötzlich auch noch Hochdeutsch. Da platzt dem Vater der Kragen und Hildegard muss mal wieder einen seiner tyrannischen Ausbrüche ertragen.
In ihrem autobiographisch geprägten Roman „Das verborgene Wort“ hat Ulla Hahn 2001 die Geschichte der Arbeitertochter Hildegard im provinziellen Mief des katholischen Rheinlands der Nachkriegszeit erzählt. Das Mädchen mit dem unbeugsamen Willen, Lesen und Schreiben zu lernen, eckt in der Familie an, wird von Mutter und Großmutter gar als Teufelsbraten beschimpft. „Teufelsbraten“ heißt auch der Zweiteiler nach Hahns Buch, den das Erste am Mittwoch und Donnerstag zeigt. Hildegard wird in drei Altersstufen von Nina Siebertz, Charlotte Steinhauer und Anna Fischer gespielt. Ulrich Noethen verkörpert den strengen Vater. „Wie der Mann seine Kinder züchtigt, ist furchtbar und ignorant“, sagt Noethen. „Aber in dieser Zeit waren diese Erziehungsmethoden eben auch bei uns noch weit verbreitet – ungeachtet des sozialen Standes.“ Aufgrund seiner Hilflosigkeit reagiere der Vater so, glaubt Noethen.
Gewalt als einzige Möglichkeit
„Die Tochter entgleitet ihm in eine Welt, die ihm komplett fremd ist, und er kennt keine andere Möglichkeit damit fertig zu werden, außer der Gewalt.“ Noethen hat für die Rolle extra den rheinischen Dialekt gepaukt. Volker Gröbe, Leiter der „Akademie för uns kölsche Sproch“ hat nicht nur das Drehbuch übersetzt, sondern auch mit den Schauspielern geübt. „Die Originalfassung war noch derber“, sagt Noethen. „Es gab große Diskussionen darüber und vieles haben wir dann nachsynchronisiert.“
Die Befürchtung, dass der Film außerhalb des Rheinlands nicht ankommt, habe er aber nicht. „Bei der Premiere in Köln habe ich von Wolfgang Niedecken, Bap-Frontmann, gehört, dass er bei ,Wer früher stirbt, ist länger tot’, nichts vom Bairischen verstanden hat“, sagt Noethen. „Aber trotzdem war es für ihn ein großes Vergnügen, den Film zu sehen.“
Mangel als Selbstverständlichkeit
Noethen, Jahrgang 1959, fand die Auseinandersetzung mit den 50er Jahren „hoch interessant“. „Über die Nazizeit wissen wir heute so viel“, sagt er, aber auch die Zeit danach, die des Umbruchs, sei spannend. Er selbst habe sich an das Ambiente seiner Kindheit zurückerinnert gefühlt. „Vieles, was man heute als Mangel bezeichnen würde, war damals selbstverständlich.“
In München als Pfarrerssohn geboren, zog Noethen im Alter von drei Jahren nach Neu-Ulm. „Das bayerische Neu-Ulm an der Donau – nicht Ulm auf der württembergischen Seite“, betont er. „Das war mir immer wichtig.“ Eigentlich habe er auch immer gedacht, dass zu Hause Hochdeutsch gesprochen wurde, erzählt er. „Einmal aber habe ich eine Tonaufnahme von mir als Achtjährigem gehört und ganz schön mit den Ohren geschlackert, wie schwäbisch das geklungen hat.“
Heute lebt der Schauspieler mit Frau und Tochter (14) in Berlin. Ein Wiedersehen mit München gab es im vergangenen Jahr aber gleich zwei Mal – er schlüpfte in die Rolle von Friedrich Anis Ermittler „Tabor Süden“. Noethen: „In meine Geburtsstadt zurück zu kommen und in Anis Geschichten die Stadt zu entdecken, das war die Erfüllung eines Traumes.“
Angelika Kahl
20.15 Uhr, Mittwoch und Donnerstag, ARD