Zu viele Bars in München – oder zu wenige?

Streitthema Nachtleben: Betreiber kritisieren eine restriktive Vergabe von Ausschanklizenzen und dass es schwer geworden ist, in zentralen Vierteln neue Läden zu eröffnen.
von  Thilo Schröder
Johannes Möhring (Mitte) in seiner Ménage Bar.
Johannes Möhring (Mitte) in seiner Ménage Bar. © Bernd Wackerbauer

München - Der erste Blick täuscht: 5.368 Betriebe mit Alkoholausschank gab es 2019 in München, 2014 waren es noch 3.465 (plus 55 Prozent). Neben Cafés, Bars, Restaurants, Nachtclubs und Imbissständen sind darin auch Hotels einbezogen. Die Zahlen stammen von der IHK für München und Oberbayern.

Gastro-Boom in der Stadt? Nicht unbedingt. Was wie ein massiver Zuwachs in der Gastronomie aussieht, ist mutmaßlich zu einem großen Teil auf Betriebsübernahmen zurückzuführen.

"Die Gastro-Szene ist sehr einheitlich"

Denn der Anstieg geht auf die Zahl neu angemeldeter Gastwirte bei der IHK zurück. Und die wird anhand der Teilnehmerzahlen der für Betreiber vorgeschriebenen Gastwirteunterrichtung ermittelt. Daran nehmen laut IHK jährlich etwa 1.600 Menschen teil. Die gestiegenen Zahlen könnten also auch heißen: In der Stadt ist bei der Gastronomie auch viel Wechsel drin. Wirte hören auf – weil sie in Rente gehen oder es sich eben doch nicht rentiert. Dann versuchen andere ihr Glück.

Wie viele von ihnen eine Ausschanklizenz neu erworben und nicht von einem vorherigen Betreiber übernommen haben – also ein neues Lokal an einem neuen Standort eröffnet haben –, darüber führt das zuständige Kreisverwaltungsreferat (KVR) keine gesonderte Statistik. Gespräche mit Gastronomen lassen aber einen Trend erkennen.

Wer sich mit Bars auskennt, dem dürfte der Name Johannes Möhring, dem Mitbegründer der berühmten Frankfurter Kinly Bar, bekannt sein. Vor einem Jahr hat Möhring die Ménage Bar in der Buttermelcherstraße im Gärtnerplatzviertel eröffnet. In kaum einem Stadtviertel ist die Bardichte so hoch. Eine neue Ausschanklizenz zu bekommen, sei hier "sehr, sehr schwierig", sagt der Gastronom.

Johannes Möhring (Mitte) in seiner Ménage Bar.
Johannes Möhring (Mitte) in seiner Ménage Bar. © Bernd Wackerbauer

Wie die Mehrzahl der Münchner Gastronomen hat er eine bestehende Ausschankerlaubnis übernommen. Wer dagegen im Innenstadtbereich einen Neubau plane oder ein Geschäft zum Restaurant oder Club umwandeln wolle, müsse die vorhandene Szene in der Umgebung genau einschätzen. "Wenn’s in der Straße schon drei Italiener gibt, werden Sie da keinen vierten eröffnen können", nennt Möhring ein Beispiel.

Restriktive Vergabe von Lizenzen 

"Anders ist das, wenn neue Stadtquartiere gebaut werden, zum Beispiel in Freimann, da ist dann die Infrastruktur schon eingeplant." Auch abseits von Altstadt und Glockenbachviertel, etwa in Haidhausen und Neuhausen, gibt es noch Potenzial für gastronomisches Wachstum.

Wie restriktiv das KVR die Vergabe von Lizenzen handhabt, zeigt sich am Beispiel von Hotelanlagen. Neue Hotels wollten oft eine Ausschankerlaubnis über den Hotelbetrieb hinaus erlangen, um auch an Münchnerinnen und Münchner auszuschenken, sagt Möhring. Und behauptet: "Diese Konzession wird grundsätzlich nicht mehr vergeben."

Als bundesweiter Barbetreiber, der einen Vergleich ziehen kann, sagt Möhring: "In Frankfurt ist es auch nicht einfach, aber bei weitem nicht so restriktiv." Das hänge auch mit der Münchner Wohnstruktur zusammen, glaubt er, mit hohen Mieten und empfindlichen Anwohnern – "ein schmaler Grat", sagt er.

Aus Sicht potenzieller Lokalbetreiber sei aber klar: "Auch wenn München sehr teuer ist, ist auch kaum der Profit so hoch wie in München." Und gerade die Gastronomie sei sehr profitorientiert. Was allerdings wiederum zu einer eher geringen Vielfalt des Angebots, insbesondere ausgefeilter Konzepte, führe.

Clubbereich: "Szene ist sehr einheitlich"

Ganz anders bewertet die IHK die jüngere Entwicklung der Münchner Gastro-Szene. "Kunden suchen nach einem immer differenzierteren Angebot bei Speiselokalen", sagt IHK-Sprecher Florian Reil. "Der Trend der Individualisierung und die Authentizität des Angebotes sind hierfür Gründe." Gemeint sind damit etwa landesspezifische Küchen oder Bars mit einem breiten Gin- oder Weinangebot. Und natürlich steige die Zahl der Betriebe auch mit dem Wachstum der Stadt.

"Die Szene ist sehr einheitlich, gerade im Spätabend- und Clubbereich", meint dagegen Johannes Möhring, "da ist viel geschluckt worden, zum Beispiel das Atomic Café." Seine Ménage-Bar verfolgt ein eher aufwendiges Konzept. "Es läuft relativ gut, aber wildes Geld verdient man damit nicht."

 


"Die Szene muss mit der Stadt wachsen"

Mete Klimenti hat ein neues Lokal in Haidhausen eröffnet. Was er beobachtet: 

Mete Klimenti erweitert in diesen Wochen sein Restaurant um einen Weinkeller. Eine neue Lizenz ist dafür nicht nötig, auch fürs Lokal brauchte er sie nicht. "Die gab’s hier ja schon, das war ja schon immer ein Lokal." Er wisse aber, dass es für den Hauseigentümer "echt lange gedauert" habe, sie damals zu bekommen.

Modern, hell, aufgeräumt: Mete Klimenti in seinem Lokal hinterm Gasteig in Haidhausen.
Modern, hell, aufgeräumt: Mete Klimenti in seinem Lokal hinterm Gasteig in Haidhausen. © Jasmin Menrad

Dass sich Haidhausen vom einstigen Arbeiter- zum sehr teuren Viertel gewandelt hat, ist für ihn spürbar. "Es wird richtig lebendig, viel mehr als früher, gerade gastronomisch." Im Umfeld beobachte er, wie an Hotelstandorten Bars entstehen, 2019 etwa die Szenebar 33rpm im James Hotel.

Das Zusammenspiel mit Anwohnern, insbesondere mit Zugezogenen und in Bezug auf Sperrstunden, sei "schwierig": "Das stört andernorts auch niemanden", kritisiert er. "Und wenn wir woanders sind, sind wir ja auch die Letzten, die die Bar verlassen." Wenn München wachse, müsse die Gastronomie mitziehen, sagt Mete Klimenti. "Du kannst nicht wachsen, ohne laut zu werden."

 


"Viele Lokale schließen, jüngere sollen eröffnen"

In Neuhausen gebe es zwar Wachstum, aber auch Übernahmen, sagt Isabelle Tran:

Isabelle Tran ist in einer für Münchner Gastronomen privilegierten Situation. Denn für ihr im Oktober 2019 eröffnetes Jacci Restaurant hat sie eine Volllizenz vom Vorgänger, dem Bar-Café Victorian House übernommen. Mit dem Nachweis der IHK musste sie den Betrieb beim KVR nur umschreiben lassen. Tran beobachtet einen neuen Trend in ihrem Viertel. 

Jean-Pierre und Isabelle Tran in ihrem Lokal.
Jean-Pierre und Isabelle Tran in ihrem Lokal. © Jacci

"Viele Restaurants machen zu und viele jüngere sollen eröffnen“, erzählt sie. „Das weiß ich aus sicherer Quelle.“ Sie beobachte zwar ein Wachstum im Viertel, die Gastro-Szene sei aber noch nicht mit der im Glockenbachviertel vergleichbar.

Doch auch hier sei es schwierig, eine Konzession zu erhalten. Und auch hier sei der Umgang mit den Nachbarn "schwierig": "Denen ist Einzelhandel lieber", glaubt sie. Das Jacci sei gut angelaufen, "besser als erwartet". Doch das Lokal befinde sich ja noch in der Anfangsphase, gibt Isabelle Tran zu bedenken. "Wir müssen das halten, viele waren ja erst das erste Mal hier."

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