Zu viel Lärm: Der Aufstand gegen die Isarflößer
München - Der Maifeiertag ist inzwischen nicht mehr nur Kampftag der Arbeiterbewegung, sondern der traditionelle Tag für ausgedehnte Ausflüge in die Natur. Was für die meisten zum Freizeitspaß wird, markiert für die Flaucher-Anwohner ein leidiges Datum. Ab dem 1. Mai ist in der Umgebung nämlich endgültig Schluss mit der Ruhe, denn dann beginnt die Floßsaison. Und das heißt: Lärm, Wildbiesler und Betrunkene rund um das Naherholungsgebiet.
Anwohner haben Angst vor der Eventisierung des Flusses
Damit der „zunehmenden Belastung und Eventisierung“ der Isar kein Vorschub geleistet wird, will der Sendlinger Bezirksausschuss jetzt einen Riegel vorschieben. In einer der jüngsten Sitzungen hatte die Mehrheit der Räte einem Vorstoß aus der SPD zugestimmt. Demnach soll die „Lärmbelästigung durch elektrisch verstärkte Musik“ auf den Gaudiflößen verboten werden. Schließlich schipperten die Fortbewegungsmittel durch ein Landschaftsschutzgebiet. „Dieser Lärm vergrämt nicht nur die Vögel und Wildtiere an der Isar und am Kanal, sondern auch die Erholung und Ruhe in der Natur suchenden Münchner Spaziergänger“, sagt Initiator Ernst Dill von der SPD. Auch wenn er selbst nicht in unmittelbarer Nachbarschaft der Anlegestelle wohne, gehe er gerne südlich der Tierpark-Brücke spazieren. „Wenn dann ,Who the fuck is Alice’ vom rechten bis zum linken Ufer der Isar schallt, ist es mit der Ruhe vorbei.“
Unterstützung bekommt Dill aus den eigenen Reihen – und von den Grünen. Flößer im Zehn-Minuten-Takt und Musik vom Band verurteilt auch Jens Erdmann. Dass die Diskussion über die Lautstärke auf den Flößen gerade aus Sendling angeregt wird, verwundert Floßmeister Michael Angermeier zwar, kann ihn aber nicht mehr schocken. In der vierten Generation betreibt er eine der wenigen Flößereien, die heute noch die Isar zwischen Wolfratshausen und München befahren dürfen. Seit 42 Jahren ist er im Geschäft. Die Diskussion über die Lautstärke hat er schon oft geführt. „Es gibt immer wieder Leute, die meinen, die Musik ist zu laut“, sagt er, „deshalb haben wir Messungen durchgeführt. Es sind Werte von um die 40 Dezibel rausgekommen.“ Im Vergleich: Eine Hauptverkehrsstraße erreicht einen Pegel von bis 80 bis 90 Dezibel.
Laut dem Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen, das für die Genehmigung der Flößerei zuständig ist, gibt es für die Flößer eine etwas schwammige Formulierung bezüglich der Beschallung. „Es darf Musik gespielt werden, aber es darf dadurch kein störender Lärm entstehen“, sagt Cornelia Breiter Sachgebietsleiterin Wasserrecht im Landratsamt. Aktuell liege ihr keine Lärmbeschwerde zu den Flößern vor. Grundsätzlich gebe es regelmäßig Rückfragen, zum Beispiel von Badegästen, ob denn auf den schwimmenden Fichtenholzstämmen überhaupt Musik gespielt werden dürfe. Ein komplettes Verbot von elektronischen Verstärkern habe es zwar einmal gegeben. Das wurde aber wieder revidiert. Inzwischen benutzen viele Bands kleine Verstärker. „Wir haben da aber keine Generatoren an Bord, das sind kleine Autobatterien“, beruhigt Flößer Angermeier. Bei einer Fahrtdauer von etwa sechs Stunden sei es einem Quetscher oder Gitarristen auch schwer zuzumuten, dauerhaft unplugged zu spielen.
Ein 900 Jahre altes Erbe zwischen Tradition und Moderne
Außerdem seien viele Bands leiser als eine komplett besetzte Blaskapelle, „aber wissen’S, der eine geht spazieren und dem gefällt die Musik, und der andere ist grimmig und findet, dass das Krach ist.“ Bei ihm würden die Gäste ohnehin selbst entscheiden, was auf dem Floß gespielt wird. Dennoch findet Michael Angermeier, dass die Musik zu den Balkenschiffen dazugehört.
Genau wie die Floßfahrt selbst eng mit der Stadt München verknüpft ist. Seit dem 12. Jahrhundert wird die Isar befahren. Damals wurden selten Ausflügler und mehr Baumaterial wie Holz, Kalk und Stein aus dem Oberland in die Städte transportiert.
Ein Holzfass mit Bier ist immer dabei
Die Spaßfahrten gibt es seit mehr als 100 Jahren. Auf der 28 Kilometer langen Strecke ab Wolfratshausen werden seither Wasser-Touristen durch die Wildflusslandschaft der Pupplinger Au und über sieben Floßrutschen zurück an die Floßlände nach Thalkirchen befördert. An viel befahrenen Tagen kommen die drei Flößereien gemeinsam auf etwa 13 Anlegemanöver. Das sei auch die Maximalauslastung. Die meisten Fahrten finden am Wochenende, zwischen Freitag und Sonntag, statt. Pro Floß können 60 Personen einschließlich Kapelle mitgenommen werden. Letztere ist bei einigen Veranstaltern obligatorisch. Zwischen 15.30 Uhr und 17.30 Uhr stolpern die Ankömmlinge dann üblicherweise in München vom Floß, denn ein Holzfass gefüllt mit Bier ist auf der Überfahrt Pflicht.
Gegen die Tradition, die Gaudiflößer an sich und handgemachte Musik hat SPD-Mann Ernst Dill aus Sendling eigentlich nichts einzuwenden. Wer allerdings die Konserven-Beschallung mit Wiesn-Hits gut findet, soll seiner Meinung nach „lieber aufs Oktoberfest gehen“.
Wie es mit dem möglichen Musik-Verbot nun weitergeht, bleibt abzuwarten. Ab der Stadtgrenze ist das Referat für Gesundheit und Umwelt für Lärmschutzbestimmungen zuständig. Der Behörde liegen derzeit allerdings keine Richtlinien für die Lautstärke auf der Isar vor. Der Fall wird geprüft, heißt es. Ebenso in Wolfratshausen. Auch dort will man in der Sache mal nachhören.
So kommen Sie aufs Floß
Die drei Flößereien von Michael Angermeier (Kalkofenstraße 12a, 83646 Arzbach/Bad Tölz, Tel. 08042/12 20, www.isarflossfahrten.de), Franz Seitner (Heideweg 9, 82515 Wolfratshausen, Tel: 08171/18 320,
www.flossfahren.de) und Josef Seitner (Lindenweg 1, 825151 Wolfratshausen, Tel. 08171/78 518, www.flossfahrt.de) dürfen derzeit die Strecke zwischen Wolfratshausen und der Zentrallände in München befahren.
Maximal 60 Personen können auf einem Floß mitfahren. Gruppen können ein Floß auch komplett buchen. Einzelpersonen buchen über isar-floss-event.de oder flossfun.de.
Die Saison startet am 1. Mai und endet mit der „Eisfahrt“ Mitte September.
Da die Termine für die Fahrten recht schnell ausgebucht sind, sollte ein Ausflug bereits vor Beginn der Saison gebucht werden.
Eine Floßfahrt kostet zwischen 125 und 149 Euro.
Die Flößer legen zu einer Mittagspause an verschiedenen Stellen an – unter anderem auch in der Nähe von zwei Gasthäusern. Verpflegung kann von den Floßfahrern selbst mitgebracht oder vom Veranstalter organisiert werden. So ist auf dem Floß etwa auch Platz für einen Grill.