Zu links, um Lehrer zu sein? Gericht widerspricht Freistaat

Benedikt Glasl (34) wurde wegen seiner Gesinnung nicht eingestellt. Seit 21. März darf er nun doch Referendar an einer Mittelschule sein.
von  Eva von Steinburg
Benedikt Glasl holt sich Glück bei dem Löwen vor der Residenz.
Benedikt Glasl holt sich Glück bei dem Löwen vor der Residenz. © Daniel von Loeper

München - In der Pause haben sie freudig angestoßen. Das ganze Lehrer-Kollegium hat gratuliert: Benedikt Glasl (34), der politisch suspekte angehende Lehrer, ist am 21. März völlig überraschend - nun doch - als Referendar in der Mittelschule an der Guardinistraße aufgenommen worden.

Das ist ein Riesen-Erfolg für den jungen Mann - nach einem kräftezehrenden, sieben Monate langen juristischen Kampf gegen den Freistaat.

Die Vorgeschichte: Weil er angeblich politisch zu weit links steht, hat der Freistaat Bayern dem Lehramtsanwärter Benedikt Glasl zum Schulanfang im Herbst ganz plötzlich das Referendariat verweigert. Denn: Als Student war Glasl Mitglied zweier linker Gruppen: des SDS, dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund und der "Linksjugend Solid", beides kapitalismuskritische Studentengruppen der Linkspartei.

Vom bayerischen Verfassungsschutz werden sie als "extremistisch" eingestuft. Benedikt Glasl engagierte sich dort hochschulpolitisch gegen Studiengebühren. Sein Anwalt Gerd Tersteegen sagt: "Es ist absurd, an der Verfassungstreue meines Mandanten zu zweifeln. Soweit ich es verstanden habe, tritt er für soziale Gerechtigkeit ein."

Freistaat wollte sogar das unbezahlte Hospitieren verbieten

Von den Behörden ausgebremst "hospitiert" Glasl dann einfach an der Schule in Hadern, die ihm vorher zugeteilt war, an der er das Referendariat aber nicht antreten durfte. Die Folge: Glasl kommt sieben Monate lang jeden Tag als Gast, als Außenstehender. Er darf nicht alleine vor der Klasse sprechen. Für seine Arbeit bekommt er sieben Monate kein Gehalt.

Seine Lehrer-Kollegen, die ihn schätzen lernen, können das Handeln der Behörden in Zeiten des Lehrermangelns überhaupt nicht fassen: "Schockierend" nennen sie das politisch motivierte Berufsverbot - und sammeln Unterschriften, die sie an die Regierung von Oberbayern schicken. Zehn Kollegen aus Glasls Mittelschulseminar beschreiben ihn darin als "engagiert, motiviert" - und auch loyal: "Zur Staatsbürgerkunde äußert sich Benedikt Glasl differenziert mit großem Fachwissen aus neutralem Blickwinkel. Er berücksichtigt dabei sämtliche Positionen ohne persönlich Stellung zu beziehen." 28 seiner Kollegen in der Mittelschule in Hadern werben damit, dass Glasl ein "wirklich gewinnbringender" Kollege sei, eine "Bereicherung der gesamten Schule".

Doch die Regierung von Oberbayern will dem jungen Mann aus dem Westend auch die Hospitanz an der Mittelschule an der Guardinistraße verbieten. Jetzt hat das Bayerische Verwaltungsgericht jedoch per einstweiliger Anordnung entschieden, dass Glasl bis Ende des Schuljahres in der Mittelschule in Hadern bleiben darf. Seit 21. März darf er über Dienstanweisung an seine Rektorin nun auch als Referendar unterrichten.

"Was Herrn Glasl widerfährt, ist dummer Antikommunismus"

In einem persönlichen Gespräch am 11. Januar hat Glasl nämlich die Behörde überzeugt, dass er nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpft. Die Verdächtigungen der Regierung von Oberbayern nennt Glasls Anwalt "aus der Zeit gefallen". Eine Gesinnungsprüfung, die Staatsdiener auf ihre Grundgesetztreue abklopft, kam auf nach dem "Radikalenerlass" von 1972. Anwalt Gerd Tersteegen meint: "Was Herrn Glasl widerfährt, ist schlichter purer, dummer Antikommunismus. Alles was von links kommt, ist verdächtig."

Die Bildungsgewerkschaft GEW hat Glasls Ausbildungsverbot von Beginn an abgelehnt: "Berufsverbote sind ein Relikt aus vordemokratischen Zeiten, der Obrigkeitsstaat lässt hier grüßen." Der Kreisverband München der Linkspartei teilt mit: "Es ist völlig absurd, dass noch immer politisch engagierte Menschen mit existenzbedrohenden Repressionen und Berufsverboten überzogen werden, weil sie sich für linke Hochschulpolitik einsetzen."

Bis Ende des Schuljahres darf Benedikt Glasl nun offiziell unterrichten - mit allen Rechten und Pflichten eines Lehramtsanwärters.

Benedikt Glasl hat zwar kein Recht auf das Referendariat, aber das Recht auf eine "fehlerfreie Ermessensentscheidung", erklärt sein Anwalt. Die Klage beim Verwaltungsgericht gegen den Freistaat Bayern in dieser Sache läuft. Denn: Am 11. September beginnt das neue Schuljahr.

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