Zu Besuch beim Haferlschuh-Macher

AZ-Stadtspaziergänger Sigi Müller hat den Schuh-Bertl in seiner Werkstatt in der Kohlstraße besucht – und ist dabei ins Staunen geraten.
München – Ein Kunde sitzt auf einem abgewetzten massiven Holzhocker und wartet darauf, dass Bertl das Leder für den neuen Haferlschuh passend knetet.
So, passt. Zufrieden verlässt der Kunde den Laden.
Die Decke im Laden vom Schuh-Bertl hängt komplett voller Schuhe. Dickes Leder, grobe Sohlen. An einer Wand ein Gebinde Geldbeutel. Schön schauen sie aus. „Die sind aus Stierhoden“, erklärt Bertl. Er ist der womöglich letzte Schuhmacher Münchens, der das Handwerk beherrscht, Haferlschuhe aus einem Stück Leder auf Maß zu fertigen. Somit gibt es keine Naht an der Ferse.
Sein umfangreiches Wissen über die Schuhmacherei hat Bertl in mehreren Büchern beschrieben. Er hat keine Angst, dass man nun einfach seine Schuhe nachbaut – und wenn doch, baut man sehr hochwertige Schuhe, so wie Bertl seit Jahrzehnten.
Er zeigt mir die Werkstatt. Hier hängen die ganzen Leisten an der Decke, alle beschriftet, Größe, welcher Schuh, welcher Kunde. Für viel Prominenz weltweit hat er schon Schuhe gefertigt, aber die Namen wollen wir nicht schreiben, sagt er.
Dann fragt er: „Magst a Leberwurschtbrot mit Kren?“
Vor Jahren fertigte er ein Paar Schuhe für einen der damals größten Männer der Welt. Leonid Stadnik. Schuhgröße 65. Was soll ich mit solchen feinen Schuhen in meinem Leben anfangen?, fragte er. Also baute Bertl noch ein paar derbe Schuhe für den Landwirt, ließ extra Sohlen aus Gummi gießen – und als die Schuhe fertig waren, war Leonid kurz vorher gestorben. Seine handgearbeiteten Schuhe halten ewig.
In der Werkstatt bekommen gerade ein paar Haferlschuhe, die er vor über 20 Jahren gefertigt hat, neue Sohlen. Noch ein bisschen aufpoliert und sie sehen aus wie neu. „Magst a Leberwurschtbrot mit Kren?“, fragt der Bertl mich. Und bei der Brotzeit erzählt er mir noch so manche Geschichte über Schuhe und deren Besitzer.
In diesem Sinne: eine schöne Woche. Ihr Sigi Müller