Trotz Denkmalschutzes: Abriss von historischer Schlosswirtschaft bei München – wie konnte es so weit kommen?

München - Wenn Baudenkmäler aus Städten und Dörfern verschwinden, dann macht das was mit dem Ort. "Es macht etwas mit der Vertrautheit, die Menschen zu ihrem Heimatort empfinden. Viele bedauern den Abriss historischer Bausubstanz, manche fühlen sich sogar verzweifelt", erklärt Daniela Sandner (38). Die promovierte Volkskundlerin im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege ist entsetzt über diesen aktuellen Fall bei München:
Die denkmalgeschützte alte Schlosswirtschaft in Planegg wird abgerissen. Das Gebäude wurde schon im 15. Jahrhundert schriftlich erwähnt. Diesen Verlust bedauert Daniela Sandner sehr. "Dieses jahrhundertealte Gebäude ist einfach eine Landmarke. Planegg ist ein ganz bitteres Beispiel, wie es nicht gelingen kann ein Denkmal zu retten und historische Baukultur zu erhalten!", so die Heimatpflege-Expertin mit Arbeitsplatz in der Münchner Ludwigstraße.
SPD-Gemeinderat Roman Brugger: "Denkmalschutz ist Verfassungsauftrag!"
Der Abriss an der Pasinger Straße 4 soll noch im Februar erfolgen. Das erhitzt die Gemüter: Roman Brugger, SPD-Gemeinderat in Planegg, kämpft für den Erhalt des Gebäudes. "Vorne war ein Milchladen. Meine Großeltern haben hier gewohnt – aber das nur nebenbei", sagt er. "Denkmalschutz ist Verfassungsauftrag! Denkmalschutz muss in Zukunft gestärkt werden", fordert er. Der Politiker aus dem Münchner Speckgürtel hat beim Bayerischen Landtag gegen den Abbruch des Baudenkmals protestiert. Drei zuständige Abgeordnete hat er angeschrieben, darunter Sabine Weigand von den Grünen und den Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper (CSU).
Denn auf dem Papier seien die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes nach seiner Aussage "streng". "Wir waren damit Vorreiter in Europa. Die Handhabung ist leider aufgeweicht worden", beklagt der Planegger.
Die Unteren Denkmalschutzbehörden können dem Eigentümer Erhaltungsmaßnahmen anordnen. So dass es nicht zum Abriss eines historischen Gemäuers kommen muss, weiß Daniela Sandner: "Die Behörden tun es nur oft nicht. Denn es ist eine unpopuläre Entscheidung, die ins Eigentumsrecht hineinreicht", erläutert sie. Die Heimatpflegerin ist der Überzeugung: "Wenn der Eigentümer die alte Schlosswirtschaft zum Verkauf stellen würde, würde sich in Süddeutschland ein Liebhaber finden – denn hier haben wir ein Liebhaberobjekt".
Wenn die Schlosswirtschaft bei München abgerissen wird, könnte es einen Negativpreis geben
Der Freistaat Bayern hatte den Besitzern bereits einen Renovierungszuschuss von über einer Million Euro angeboten. Außerdem kann er rein theoretisch auch ein Kaufangebot abgeben. Daniela Sandner wundert sich: "Es würde noch Möglichkeit bestehen, das Gebäude durch einen Verkauf zu retten" – zum Beispiel über die Denkmalbörse des Landesamtes für Denkmalpflege.
Der Eigentümer, der Planegger Gemeinderat Philipp von Hirsch (CSU), ist jedoch selbst bei einem Angebot nicht gezwungen zu verkaufen. Wenn die frühere Schlosswirtschaft abgebrochen wird, könnte sie den Negativpreis "Abriss des Jahres 2024" ihres Vereins erhalten, prognostiziert Daniela Sandner. Trauriger Gewinner 2023 war ein Fachwerkhaus von 1802 bei Bayreuth.
Historische Schlosswirtschaft bei München vor dem Abriss: Viel Kritik
Das Denkmalnetz Bayern kritisiert die Entwicklung im Fall der maroden Schlosswirtschaft ebenfalls. "Wir vermuten, dass die Abrisserlaubnis der Regierung von Oberbayern nicht rechtmäßig ist. Nicht zuletzt, weil dem Eigentümer hohe Förderungen angeboten wurden", so Sprecherin Elke Wendrich: "Für eine Abbrucherlaubnis gibt es strenge Vorgaben. Auch sind Verkaufsbemühungen nachzuweisen." Ihre Frage: "Was sagt Minister Markus Blume dazu?"
Die Pasinger Straße ist seit Oktober gesperrt, wegen Einsturzgefahr der Ruine, so die Gemeindewebsite. Die Regierung von Oberbayern hat den Abbruch im Januar genehmigt. Begründung: "Weil die Kosten für Sanierung und Erhaltung dem Eigentümer wirtschaftlich nicht mehr zugemutet werden können", sagt Sprecher Wolfgang Rupp. Eigentümer Philipp von Hirsch möchte an der Pasinger Straße Wohnungen bauen.
Abriss trotz Denkmalschutz in München: Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit
Abriss Tierklinik: Kein Denkmal?
Seit vielen Jahren wird um die alte Tierklinik am Englischen Garten gerungen, der Freistaat will sie komplett abreißen lassen, um hier Uni-Bauten zu errichten. Das Nanoinstitut steht schon. Das Landesdenkmalamt sieht hier – trotz erhaltener Grundstruktur des Gebäudes, erhaltener Jugendstiltreppenhäuser und -gebäudeteile – keine Denkmaleigenschaft. Private Gutachten kommen zum gegenteiligen Ergebnis. Ebenso wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der Abriss und Bau 2023 gestoppt hat. Es spräche viel dafür, dass die alten Gebäude schutzwürdig seien, so die Richter. Der Kampf geht weiter – Ausgang offen.

Starnberger Flügelbahnhof: Abriss trotz Denkmalschutz
Im Gegensatz zur „schutzlosen“ Tierklinik steht der 1950 errichtete Starnberger Flügelbahnhof in München astrein unter Denkmalschutz. Nützen wird ihm das freilich nichts – er soll trotzdem abgerissen werden. Warum? Weil der erste Planungsentwurf der Bahn aus dem Jahr 2006 datiert, der Flügelbahnhof aber erst danach unter Denkmalschutz gestellt wurde. Im Mai 2023 nickte der Stadtrat mehrheitlich den Billigungsbeschluss ab. Dem Bau eines 69 Meter hohen Büroturms nebst Läden und Gastro im 16. Stock steht damit nichts mehr im Weg.

Uhrmacherhäusl: Die traurige Lücke
Das Giesinger Uhrmacherhäusl sorgt seit 2017 für Schlagzeilen. Am 1. September 2017 wurde das denkmalgeschützte Wohnhaus (erbaut 1820/30) in der Feldmüllersiedlung abgerissen (einen Tag zuvor konnte die Polizei das noch verhindern). Seither schwelt der Streit um Wiederaufbau in alter Form (was die Stadt fordert und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2021 bestätigte). Die verhängten Geldauflagen gegen den Eigentümer (100.000 Euro) und Bauunternehmer (4400 Euro) sind bereits beglichen. Die traurige Lücke in Giesing aber gähnt immer noch.

Abriss-Frevel hinter der Oper
Kein Ruhmesblatt für den Freistaat: der Abriss des Hauses Maximilianstraße 15 um 2001. Laut Landesdenkmalamt der besterhaltene Bürkleinbau der ganzen Prachtstraße, unzerstört im Krieg, unverbastelt danach. Und: strengster Denkmalschutz. Weil aber Ministerien starken Druck auf die Denkmalschützer ausübten, wie eine Dissertation der Uni Bamberg 2014 schön herausgearbeitet hat, war die Entkernung nicht zu verhindern. Dafür durfte sich der Freistaat über die vom Investor errichtete Opern-Probenbühne am Marstallplatz freuen.