Zettl-Premiere: Die netten Typen sind skrupellos

Sieben Jahre lang hat Helmut Dietl an seiner politischen Komödie gearbeitet. Ein Gespräch mit dem Regisseur über Leichtigkeit, tiefgefrorene Bundeskanzler und schlechte Kritiken.
Interview: Arno Makowsky |
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„Wer’s warm haben will, soll sich einen Ofen kaufen.“ Helmut Dietl im Gespräch mit der AZ im Bayerischen Hof.
Mike Schmalz „Wer’s warm haben will, soll sich einen Ofen kaufen.“ Helmut Dietl im Gespräch mit der AZ im Bayerischen Hof.

Sie haben es gut gemeint im Hotel Bayerischer Hof: Einen ruhigen Platz sollte Helmut Dietl für das Gespräch mit der AZ bekommen. Jetzt sitzt der Regisseur – schwarzer Anzug, weißer Schal, rötliche Augen – ganz alleine in einem Nebenraum des Restaurants, an einem Tisch, der für 24 Personen gedacht ist. Er wirkt verloren an der langen Tafel, und ein bisschen scheint das zu seiner aktuellen Stimmungslage zu passen.

Dietl ist offensichtlich ausgepowert. Unzählige Interviews hat der 67-Jährige gegeben in den letzten Wochen, um seinen neuen Film „Zettl – unschlagbar charakterlos“ anzupreisen. Das war anstrengend, aber ans Eingemachte geht es erst jetzt.

Kurz vor der Premiere im Münchner „Mathäser“-Kino: Helmut Dietl sitzt an dem Riesentisch und blättert in den neuesten Kritiken. Die sind nicht gut. Die Nachrichtenagentur dpa erkennt eine „bisweilen ermüdende Aneinanderreihung von Szenen“, der „Stern“ hält den Film für unkomisch und „ein großes Missverständnis“, für die „Frankfurter Rundschau“ ist seine satirische Berlin-Revue „Marke Stammtisch, siebte Runde“.

AZ: Herr Dietl, tut das weh?

DIETL: Ich hab das jetzt nur gelesen, weil Sie es mitgebracht haben. Normalerweise nehme ich das nicht zur Kenntnis, weil meine Frau alle schlechten Kritiken in den Müll schmeißt.

Und, wie ist es jetzt?

Mei, wenn die das so sehen. Wahrscheinlich haben sie einen anderen Film erwartet, eine Fortsetzung von „Kir Royal“. Aber das ist es nun mal nicht. Ich versuche nicht zu ergründen, warum es den Leuten nicht gefällt. Ein Schwerpunkt der Vorwürfe ist, dass der Film kalt wirkt. Da kann ich nur sagen: Wer’s warm haben will, der soll sich einen Ofen kaufen.

Bilder: Kir Royal - Die besten Sprüche aus der Kult-Serie:

Früher waren Sie der Liebling aller Kritiker.

Früher haben allerdings auch Leute geschrieben, die von Film was verstanden. Heute machen das Comic-Experten, Theaternörgler und andere Inkompetenzlinge. Und bei Kir Royal gab es zunächst auch den Vorwurf der Kälte, alle sagten, es fehle das Sympathische vom Monaco Franze. Auch die Einschaltquoten waren nicht besonders. Ich hab dann mit dem Hellmuth Karasek telefoniert (damals Kulturchef beim „Spiegel“, die Red.) und gesagt: ,Schauen Sie sich das bitte an, ich brauch dringend eine gute Kritik!’ Der fand die Serie zum Glück ganz wunderbar. Damit war Kir Royal geadelt.

Heute sind die Kritiker strenger. Im überfüllten Münchner Gabriel-Kino vor einer Woche: Der Film läuft als Pressevorstellung. Keiner lacht. Als das Licht angeht: betretene Mienen. Die meisten Filmjournalisten mögen Helmut Dietl, aber „Zettl“ gefällt anscheinend niemandem. Einhellige Meinung im Kinofoyer: Tolle Schauspieler, aber der Film ist nicht witzig, die Story wirr, kein Vergleich zu „Kir Royal“.

Kir Royal gilt als Kult. Ist das ein Problem?

Ja, dagegen kommst du nicht an. Kir Royal war ein ordentlicher Film, aber es besteht kein Grund, dass er jetzt so idealisiert wird. Das eine war München vor 25 Jahren, das andere ist das heutige Berlin. Die Charaktere sind andere, alles ist anders.

„Zettl“ fehlt die Leichtigkeit.

Sagen die, denen es sonst nicht schwer genug sein kann. Aber damals war auch das Sujet leichter. Im München der achtziger Jahre war es viel spielerischer. Damals ging es ja eigentlich um nichts. Heute in Berlin geht’s um was. Das ist brandgefährlich in dieser preußischen Quadratmeile im Regierungsbezirk. Wenn da jemand was falsch macht oder zu erfolgreich ist, wird er gleich abgesägt. Und da wird nicht nur das Schicksal von den Leuten entschieden, die da leben, sondern das Schicksal von Millionen Menschen.

Wie haben Sie das denn recherchiert?

Ich hab viele Politiker und Medienleute angerufen, mich mit ihnen getroffen, sie gefragt. Wenn du mit solchen Leuten essen und trinken gehst, fangen sie von sich aus das Reden an.

Und aus solchen Gesprächen haben Sie dann diese absurde Story mit dem tiefgefrorenen Bundeskanzler und einem Transvestiten als Bürgermeisterin herausdestilliert?

Das ist in keinster Weise absurd. Und schließlich handelt es sich bei „Zettl“ um eine Komödie und keinen Tatsachenbericht. Die Figuren in „Zettl“ sind nicht eins zu eins auf die Wirklichkeit übertragbar, damit haben viele ein Problem. Man kann diesmal nicht sagen: Der Kanzler steht für jenen Politiker und der Zettl für diesen Journalisten. Das ist hier viel verschleierter als bei Kir Royal. Es ist so, wie Karl Valentin gesagt hat: Man muss sich auf die Wahrheit beschränken.

Der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Wahrheit – das ist eines von Dietls Lieblingsthemen und so etwas wie sein künstlerisches Glaubensbekenntnis. Die Wirklichkeit, das ist in diesem Fall der politische Alltag in Berlin, die Trivialität, der tägliche Kampf um Macht und Aufmerksamkeit. So etwas wie die Wulff-Affäre, die er kleinkariert und lächerlich findet. Darüber muss man journalistisch berichten, sagt Dietl, aber einen Film kann man daraus nicht machen. In der Komödie dagegen geht’s um die Wahrheit – um das, was hinter den Geschichten steckt.

Worum geht es wirklich im politischen Berlin?

Um die Grauzonen der Legalität. Das habe ich versucht zu zeigen mit dem toten Kanzler, der so lange in dem Krankenhaus gekühlt wird, bis alle politischen Angelegenheiten geregelt sind. Da kann man jetzt fragen: Wer soll denn das gewesen sein? Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man sieht: Diese Leute schrecken vor nichts zurück. Um das Erringen der Macht wird alles getan. Es sind Gleichnisse.

Aber stehen diese Gleichnisse nicht für eine etwas banale Wahrheit? Dass es so ist, hat man sich doch immer schon gedacht.

Ja, stimmt, eigentlich habe ich in Berlin auch nichts Neues gelernt, sondern nur meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt bekommen. Aber es geht nicht darum, ob etwas Inhaltliches neu ist, sondern um die Art der Betrachtung. Und die ist komisch.

Warum spielt Bully Herbig die Hauptrolle?

Er ist ein sympathischer Typ. Das war für die Rolle wichtig, weil die eigentlich gefährlichen Typen sind die sympathischen. Von denen wimmelt es in Berlin. Die sind alle ungeheuer nett und gut drauf. Und skrupellos.

Über Berlin hat er viel gelästert in all den Interviews – und dafür Prügel bezogen von der lokalpatriotischen Berliner Presse. Drei Jahre lebte er im Bezirk Mitte, um festzustellen: „So viel Narrische gibt’s sonst nicht auf einem Haufen.“ Seine negative Sicht auf die Politik, glaubt Dietl, sei auch der Grund, warum kein öffentlich-rechtlicher Sender den Film finanzieren wollte. „Die sind abhängig von den Politikern, die im Rundfunkrat sitzen. Da kommt ein Fuzzi vom Ministerium und sagt: ,Und für sowas gebt’s ihr Gebührengelder aus!’

Helmut Dietl ist aufgeregt vor der Premiere, das merkt man. Dabei spielt nicht nur die Kunst eine Rolle. Dietl ist selbst Produzent des Films, es geht für ihn auch ums Finanzielle.

Wie viele Zuschauer brauchen Sie?

Eine Million aufwärts mindestens. Alles andere wäre ein Misserfolg. Für mich ist Film auch ein Geschäft, ich möchte, dass er dem Publikum gefällt.

Sind Sie selbst mit „Zettl“ zufrieden?

Ich bin noch nie mit etwas zufrieden gewesen, was ich gemacht habe, weil ich immer als erstes die Fehler sehe.

Würden Sie jetzt etwas anders machen?

Naa. Ein paar Kleinigkeiten vielleicht, aber der Film ist schon okay.

Und jetzt? Wie geht es nach sieben Jahren Arbeit an diesem Projekt weiter?

Im Allgemeinen hab ich nach einem Film eine Depressionsphase. Es geht schon los. Das ist wie nach einer Schwangerschaft.

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