Zerreißprobe für Grün-Rot im Münchner Stadtrat: BMW-Tunnel wird geplant

München - Kleine rote Holzautos und schwarze Bobbycars standen am Mittwoch vor dem Rathaus.
Proteste gegen den Mammuttunnel im Münchner Norden
Und nein - das war keine Aktion von Mini München, sondern Protest gegen eines der größten Straßenbauprojekte, die der Stadtrat in den vergangenen Jahren angestoßen hat: den Tunnel im Münchner Norden, der von der Schleißheimer Straße unter dem Hasenbergl bis zur Autobahn verlaufen soll.
Etwa drei Kilometer wird dieser lang sein. Das ist fast doppelt so lang wie der Luise-Kieselbach-Tunnel. "Wenn der Oberbürgermeister die Autobahn ins Hasenbergl bringen will, bringen wir die Autobahn eben zu ihm", sagte Philipp Duschinger, der Sprecher des Protests.
Er wuchs im Hasenbergl auf und veranstaltete bereits seit Wochen Demonstrationen gegen den Tunnel. Bis zu 200 Menschen hätten sich zum Teil angeschlossen, darunter viele Anwohner, sagt er. Auch Organisationen wie der Bund Naturschutz, Green City und Greenpeace sind überzeugt: In Zeiten des Klimawandels Geld in einen Autotunnel zu stecken, ist die falsche Entscheidung.
SPD dafür, Grüne dagegen: Zum Bruch der Koalition kommt es deshalb nicht
Eine Mehrheit des Stadtrates aus SPD, CSU, FDP, Freien Wählern und der Bayernpartei ließ sich davon nicht umstimmen. Sie brachten am Mittwoch einen gemeinsamen Antrag in den Stadtrat ein und setzten auf diese Weise durch, dass ein Planfeststellungsverfahren für den Tunnel vorbereitet wird. Die Grünen, die eigentlich der Koalitionspartner der SPD sind, sprachen sich gegen das Projekt aus. Zum Bruch der Koalition kam es deshalb nicht.
"We agree to disgaree" (auf Deutsch: Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind) kommentierte der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) diesen Prozess. Ihm sei es wichtig, nach 20 Jahren Debatte um ein Mobilitätskonzept für den Münchner Norden endlich Klarheit zu schaffen.

Mit dem Planfeststellungsverfahren erhofft er sich, herauszufinden, wie viel der Tunnel kostet und welche Einwände es aus der Bürgerschaft gibt. Bis spätestens 2024 soll das Mobilitätsreferat alle Unterlagen zusammen haben, um ein Planfeststellungsverfahren zu starten.
Bis dieses fertig ist, kann es Jahre dauern. Vor der nächsten Kommunalwahl rechnet deshalb niemand mit dem Baubeginn. Die "ganze Dramatik" im Vorfeld sei deshalb reichlich übertrieben, findet Reiter. Leicht dürfte die Entscheidung allerdings auch einigen SPDlern nicht gefallen sein. Denn auch ihre eigene Jugendorganisation, die Jusos, war dagegen.
Manuel Pretzl: "Ein guter Tag für München"
Trotzdem stimmte die SPD geschlossen für das Projekt. Ein Grund dafür seien die Unternehmen, die im Münchner Norden angesiedelt sind. Dazu zähle nicht nur BMW, sondern auch Knorr-Bremse und Krauss Maffei, betonte der Verkehrsexperte der SPD-Fraktion Nikolaus Gradl. Auch Anwohner profitieren aus seiner Sicht, wenn die Autos unter der Erde fahren.
Laut Prognose des Mobilitätsreferats soll der Münchner Norden bis 2035 um mindestens 20 Prozent wachsen – sowohl die Einwohner als auch die Arbeitsplätze. CSU-Chef Manuel Pretzl sprach deshalb von einem guten Tag für München.

Zwar soll der Tunnel nur eine Spur in jede Richtung haben. Allerdings wäre er mit drei Kilometern der Längste in der ganzen Stadt. Er geht an der Schleißheimer Straße etwa 300 Meter hinter der U-Bahnhaltestelle Dülferstraße in die Erde, verläuft einmal quer durchs Hasenbergl parallel zur Aschenbrennerstraße bis zur Kleingartenanlage, dann schließt er an die Autobahn an.
Auf der Trasse liegen heute Grünflächen, daneben stehen Wohnungen. Das Ausmaß der Baustelle und die Kosten könnten erst durch das Planfeststellungsverfahren ermittelt werden, betont die SPD.
Mona Fuchs: "In unseren Augen ist das Geldverschwendung"
Die Grünen sprechen allerdings von Kosten von mehr als einer Milliarde Euro. "In unseren Augen ist das Geldverschwendung", sagte die Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs. Auch die Planung koste Geld und binde Personal – das dringend in anderen Bereichen gebraucht werde – etwa beim U-Bahnbau.

Nikolaus Gradl von der SPD verweist darauf, dass trotz Tunnel noch mehr Geld im Münchner Norden in ÖPNV und Radwege fließt. Mehrere Tramlinien sind dort in Planung.
Mit mehr Rückgrat hätten die Grünen die Planungen für den Tunnel verhindern können – da ist sich ÖDP-Chef Tobias Ruff sicher. Schließlich müssten die Grünen ihrem Koalitionspartner ja nicht durchgehen lassen, dass er sich für das Projekt mit der Opposition zusammen tut - und gegen die Koalitionsvereinbarung verstößt. Dort war beim Tunnel-Projekt eigentlich von einer Abkehr die Rede.