Zelteln im Winter: Die Camping-Helden
MÜNCHEN - Warum ins Hotel gehen, wenn’s im Wohnwagen doch viel schöner ist? Ein Besuch am Langwieder See bei den Wintern-Campern, denen es vor gar nichts fröstelt.
Um die Äste der Bäume am Langwieder Campingplatz hüllt sich der weiße Frost, auf dem Boden liegen die letzten Überreste Schnee. Wo sich sonst die Leute im Sommer mit Sonnenbrille und Badehose vor den Campingwagen tummeln, laufen die Heizungen drinnen auf Hochtouren.
Auch Familie Major hat die Heizung voll aufgedreht und sitzt im mollig warmen Wohnwagen rund um den kleinen Klapptisch. Dass es draußen bitterkalt ist, stört die eingefleischten Camper nicht. „Wenn man das einmal gewohnt ist, dann geht das schon“, sagt der Aachener und nippt an seiner Tasse Tee. „Wir haben schon im Winter gecampt, als unsere Kinder noch klein waren. Es ist einfach viel erholsamer.“
Wintercamping ist ein Trend
Wie Jochen Major zieht es noch viele andere Camper in den Wintermonaten in den Wohnwagen. Viktoria Groß vom Deutschen Camping Club schätzt ihre Zahl auf rund eine Million in Deutschland. „Wintercamping ist ein Trend“, sagt sie. „Die Zulassungszahlen in der Caravanbranche sind gestiegen und wer soviel Geld für ein Fahrzeug ausgibt, der will es meist auch das ganze Jahr nutzen.“ Zudem werde den Campern immer mehr geboten. Auf vielen Plätzen gibt es etwa auch eine Sauna oder ein Solarium.
Auf diesen Komfort müssen die Majors in Langwied im Münchner Westen verzichten – sie brauchen ihn aber auch nicht. Sie besuchen ihren Sohn und seine Familie in München und wollen lieber in den eigenen vier Wänden auf vier Rädern wohnen.
Für Wärme sorgt ein Umluftgebläse
Dafür hat der 72-Jährige seinen mittlerweile vierten Wohnwagen wintertauglich gemacht. Damit es immer schön kuschelig bleibt, pustet im Innern ein Umluftgebläse an der Gas-Heizung die warme Luft in Familie Majors gute Stube, die gerade mal die Fläche eines großen Wohnzimmerteppichs hat. Und doch hat ihnen die klirrende Kälte einen Strich durch die Rechnung gemacht: Das Abwasser ist eingefroren.
Auf solche Überraschungen muss der Camper in der Kälte gefasst sein. „Wintercamping hat im Vergleich zum Sommer oft auch etwas mehr von Abenteuerurlaub“, sagt Groß.
Das Ganze für 8,10 Euro am Tag
Wer aber davon ausgeht, im Winter seien die Preise günstiger und alle Plätze leer, liegt falsch. In Langwied kostet der Stellplatz im Sommer wie im Winter für einen Wohnwagen 8,10 Euro am Tag. Insgesamt sind die Preise stark von der Ausstattung und dem Angebot des Platzes abhängig. Auf Plätzen in der Nähe von Skigebieten empfiehlt es sich, früh genug zu buchen – diese sind in der kalten Jahreszeit besonders gefragt.
Auch Jochen und Gudrun (71) Major verbrachten früher einige Winter im Wohnwagen zum Skifahren in Sonthofen. Mittlerweile mögen sie es etwas ruhiger. „Wir machen hier wunderschöne Spaziergänge und abends spielen wir Karten“, sagt Jochen Major, der im Wollpulli auf der bunt gemusterten Eckbank sitzt. Seine Frau, die gerade am Herd steht, wo sie Wasser aufgesetzt hat, fügt hinzu: „Wir sitzen auch noch bei 15 Grad Celsius draußen auf dem Balkon, das ist kein Problem für uns.“
Aus einer vorübergehnden Lösung wurde eine Dauerlösung
Lutz Rolke hätte damit sicher auch kein Problem, schließlich verbringt er nicht nur einige eisige Tage auf dem Langwieder Campingplatz, sondern den ganzen Winter. Der 43-Jährige Austattungs- und Szenenbauer wohnt das ganze Jahr dort.
Im April 2008 zog er von Hamburg nach München und kaufte sich bei Ebay einen Wohnwagen für 5000 Euro. Eigentlich sollte das nur eine vorübergehende Lösung sein, doch dann gefiel es ihm so gut, dass er einfach blieb.
„Ich möchte gar nicht in eine Wohnung ziehen. Wir haben hier so eine tolle Gemeinschaft und es ist immer etwas los“, begründet er seine Entscheidung.
Der bärtige Mann ist abgehärtet
Für Groß ist auch das eine Erklärung dafür, warum so viele Dauercamper im Winter ihren Urlaub im Wohnwagen verbringen. „Im Sommer zerstreut sich oft viel, im Winter trinkt man zusammen ein Glas Glühwein“, sagt sie.
Ob nun Sommer oder Winter ist Rolke relativ egal. Der bärtige Mann mit Cowboyhut ist abgehärtet, fährt bei jedem Wetter mit dem Rad zu S-Bahn-Staion und geht auch mal in Badelatschen durch den Schnee zum Duschen. Nur nachts, wenn er mal aufs Klo muss, benutzt er die Chemie-Toilette im Wohnwagen. Denn da ist es dem Cowboy draußen dann doch zu kalt.
Bianca Leppert