Zelt-Chefin Viktoria Raith: Nach drei Jahrzehnten auf dem Münchner Tollwood ist Schluss

München - Viktoria Raith kann sich gut an ihr erstes Tollwood erinnern. "Ein kleines Zelt auf einer grünen Wiese, viel mehr gab es nicht", erzählt sie. "Und Georg Ringsgwandl ist mit Badekappe aufgetreten."
Es war das Jahr 1994, das Tollwood war sechs Jahre alt. Raith war zu dem Festival gestoßen, um dort bei der Pressearbeit zu helfen und um Sponsoren zu akquirieren.
Tollwood-Festival in München: Von einer grünen Wiese zu 30.000 Quadratmetern
Seitdem hat sich viel verändert. Heute umfasst das Tollwood knapp 30.000 Quadratmeter, mit mehreren Zelten und knapp 210 Ständen. Viktoria Raith hat all diese Veränderungen miterlebt und mitgestaltet. 1995 hat sie das Andechser-Zelt eröffnet und bis heute geleitet, 28 Jahre lang. Jetzt hört sie auf, mit 72 Jahren.
Auf dem Tollwood herrscht reger Betrieb. Bauarbeiter stapeln Bierbänke aufeinander, ein Gabelstapler kurvt an Buddhastatuen vorbei in Richtung Andechser-Zelt, vor dem eine riesige Holzkuh darauf wartet, auf einer podestförmigen Sitzgelegenheit abgestellt zu werden. Viktoria Raith hievt das Holztier mit ihrem Mann Patrick vom Gabelstapler. Ein kurzer prüfender Blick, die Kuh steht richtig.
Zelt-Chefin Viktoria Raith: Seit 30 Jahren auf dem Tollwood
Raith trägt eine rosafarbene Cap auf dem Kopf und ein schalkhaftes Lächeln im Gesicht. Als sie auf dem Tollwood angefangen hat, war sie schon über 40. Davor hatte sie in einer Kunstagentur gearbeitet und internationale Künstler vertreten, in Frankfurt, in Barcelona, überall. Anfang der 90er war sie dann für ein bis zwei Jahre in Russland bei einer PR-Agentur, danach hat sie in Moldawien ein Buch geschrieben.
"Ich habe viel ausprobiert", sagt sie. Dass sie fast 30 Jahre lang ein Zelt auf dem Tollwood leiten würde, hatte sie so nicht geplant. Aber dann ist es eben passiert.

Es gab kaum Essensstände damals, aber ein kleines Gastro-Zelt. "Ich wollte das probieren für ein Jahr, so ein Zelt zu leiten." Aus dem Jahr wurden mehrere und 1997 ergänzte sie das Andechser-Zelt um die "Tief-im-Wald-Bar", die sie bis 2017 auf der Theresienwiese beim Winter-Tollwood betrieb.
Nach dem Tollwood beginnt ein neues Kapitel
1996 wandte sich eine Kollegin an sie: ob sie die Truppe der australischen Artistik-Künstler betreuen wolle, die auf dem Tollwood aufträten. "Die galten als ein bisschen schwierig", sagt Raith. Sie verstand sich gut mit den Künstlern, mit einem besonders: Patrick Brennan. Noch bevor das Tollwood endete, war klar, dass er nicht nach Australien zurückkehren würde. "Das war sowas wie Liebe aus den ersten Blick."
Das Andechser-Zelt betreiben sie seitdem gemeinsam. Es war Patrick, der die hölzerne Kuh geschnitzt hat und das hölzerne Schwein am Zelteingang – und es war Patrick, der Raith motiviert hat, etwas Neues zu probieren: Gemeinsam wollen sie nach Australien gehen. Für ein paar Monate. Und dann? "Ich habe mir überlegt, Deutsch als Fremdsprache zu studieren", sagt Raith "Damit kann man an jedem Ort der Welt arbeiten."
In etwas mehr als einer Woche beginnt das Sommerfestival. Im Andechser-Zelt werden dann wieder jeden Tag kostenlose Konzerte stattfinden. "Mein Highlight werden die Ukulele Death Squad", sagt Raith. "Das ist eine richtig wilde Truppe aus Australien." Wer das Zelt nach Viktoria Raith übernimmt, ist noch nicht bekannt, es wird aber erhalten bleiben. Raith jedenfalls freut sich auf die nächsten Jahre: "Es gibt noch viel zu viele Länder, in denen ich noch nicht war."