"Zeitdiebstahl": Die Wut der Fahrgäste

MÜNCHEN - Mag ja sein, dass viele Münchner anfangs noch Geduld hatten mit der MVG, die wegen des Streiks seltener fährt. Allmählich schlägt das aber in Wut um. Kunden wüten, die Tarifparteien wollen verhandeln.
Nein, es ist derzeit kein Vergnügen, morgens mit der MVG in die Arbeit zu fahren. Nicht mal, wenn man seinen Job mag: Auf den Bahnsteigen stehen grantelnde, teils fluchende Fahrgästen, die U-Bahnen sind überfüllt: Seit drei Wochen ist die Stadt im Würgegriff des Streiks der Lokführer-Gewerkschaft GDL und des MVG-Fahrplans, der daraus resultiert. Pünktlichkeit ist längst Glücksache.
Derzeit ist zwar Streikpause. Die MVG hält aber am Notfallfahrplan fest. Richtung Messe fuhr die U2 gestern Vormittag nur im 20-Minuten-Takt – obwohl dort Apotheker und Gynäkologen gerade für Kongress-Hochbetrieb sorgen. „Ich stand gestern früh mit der U5 zudem minutenlang im Tunnel“, sagt Christina Ammer aus Laim, die deswegen zu spät zur Arbeit kam. Die Wut wird größer.
Und die MVG-Kunden lassen Dampf ab. Ein „MVV-Nutzer“ schreibt bei abendzeitung.de: „Jährliche Preiserhöhungen, der Service ist im Keller, U-Bahnen verdreckt. Dann der Streik, jetzt ist er endlich vorbei – und die MVG simuliert einen Streik!“
„Ein Münchner“ fügt an: „Ich finde, die MVG macht es sich ein wenig zu einfach. Einfach mal den Fahrplan kürzen. Darf ich die Zahlung für mein MVV-Abo kürzen?“ Ein anderer klagt über „Zeitdiebstahl“ durch die Verkehrsbetriebe.
MVG-Chef Herbert König war für die AZ nicht zu erreichen. Dafür äußerte sich der MVG-Aufsichtsrat: „Wir sind verwundert über den hohen Krankenstand von bis zu 28 Prozent bei GDL-Mitgliedern, dem eine erfreuliche gesundheitliche Verfassung bei Nichtmitgliedern gegenüber steht, wie deren aktueller Krankheitsstand von etwa sieben Prozent beweist.“ Eine Spitze.
Jetzt könnte wieder Bewegung in die Verhandlungen kommen: Die dbb-Tarifunion (unter ihr firmiert die GDL) und der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern einigten sich darauf, die Verhandlungen weiterzuführen. „Wir versuchen, eine Lösung am Verhandlungstisch hinzukriegen. Dabei kommt es darauf an, ob die Arbeitgeber Bewegung in den strittigen Arbeitszeitfragen zeigen“, sagte Willi Russ, zweiter Vorsitzender der dbb Tarifunion. Zeitfragen? Die stellen sich viele MVG-Kunden schon lange. jot, cl, dvl