Zehnjähriges Kind im Rollstuhl

Die Mutter ruft den ärztlichen Notdienst an: „Meine Tochter torkelt wie ein Besoffener durchs Wohnzimmer.“ Am Telefon empfiehlt der Arzt ein Schmerzmittel – den Schlaganfall erkennt er nicht.  
Torsten Huber |
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Die zehnjährige Vanessa kann keine langen Strecken laufen, ist auf den Rollstuhl angewiesen: Mutter Angelika H. (38) schiebt sie.
Torsten Huber Die zehnjährige Vanessa kann keine langen Strecken laufen, ist auf den Rollstuhl angewiesen: Mutter Angelika H. (38) schiebt sie.

Die Mutter ruft den ärztlichen Notdienst an: „Meine Tochter torkelt wie ein Besoffener durchs Wohnzimmer.“ Am Telefon empfiehlt der Arzt ein Schmerzmittel – den Schlaganfall erkennt er nicht

MÜNCHEN/HOHENWART Die Szene haben die Eltern immer noch vor Augen: Die damals drei Jahre alte Vanessa torkelt wie betrunken durchs Wohnzimmer, lässt ein Glas fallen und eckt am Stuhl an. „Ich habe sofort den ärztlichen Bereitschaftsdienst in unserem Dorf angerufen“, erinnert sich Angelika H. (38).

Was ein folgenschwerer Fehler gewesen ist. Heute ist Vanessa linksseitig spastisch gelähmt, die linke Hand kann nichts mehr greifen, das Sprechen fällt ihr schwer, sie kann nur kurze Strecken gehen und ist deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen. „Der Arzt hatte damals nicht erkannt, dass unsere Tochter einen Schlaganfall erlitten hat. Ich habe ihm die Symptome beschrieben. Er hatte eine Lymphdrüsenschwellung in der Leistengegend diagnostiziert. Wir sollten ihr Schmerzenmittel geben“, sagen Angelika und Andreas H. (37).

Am nächsten Morgen des 14. März 2005 finden sie ihre Kleine halbseitig gelähmt und eingenässt im Bett vor. Sie bringen Vanessa sofort ins nächstgelegene Krankenhaus in Neuburg an der Donau. Auch hier vergeht zunächst wertvolle Zeit. Erst am Abend wird eine Computertomografie gefertigt. Auf den Bildern wird eine „cerebrale Ischämie“, der so genannte Schlaganfall, deutlich sichtbar. Vier Tage liegt sie auf der Intensivstation. Der Vater: „Wir waren am Ende, dachten, dass unsere Tochter sterben muss.“

Der Medizinische Dienst ihrer Krankenkasse verklagt den Arzt vom Bereitschaftsdienst. Er habe damals eine Fehldiagnose am Telefon abgegeben. 200000 Euro Schmerzensgeld verlangt die Kasse für Vanessa. Außerdem soll die Versicherung des Arztes noch für die Folgeschäden, die in der Zukunft auftreten können, aufkommen.

In erster Instanz verwirft das Landgericht Ingolstadt die Klage. Begründung: Auch bei einer umgehenden Einweisung in eine Klinik wäre der Gesundheitszustand kein anderer gewesen. Jetzt ist der Fall beim Oberlandesgericht München (OLG) anhängig.

Der damalige Bereitschaftsarzt sagt vor Gericht: „Die Mutter hatte mir damals die Symptome geschildert. Äußerlich waren keine Verletzungen sichtbar. Ich hatte ihr auch angeboten, dass sie jederzeit zu mir in die Praxis kommen kann. Es war ein Fehler, dass ich eine Lymphdrüsenschwellung diagnostiziert habe.“ Er habe vermutet, dass eventuell ein Leistenbruch für den unsicheren Gang des Kindes verantwortlich gewesen sei.

Dazu Gutachter Wolfgang Rascher, Direktor der Kinder- und Jugendklinik im Universitätsklinikum Erlangen: „Wenn beim Notdienst angerufen wird und eine Mutter erklärt, das Kind läuft wie ein Besoffener, dann muss das Kind untersucht werden.“ Der Gutachter weiter: „Das waren eindeutig Symptome, dass Störungen im Gehirn vorliegen. In solch einem Fall hätte man das Kind sofort klinisch untersuchen müssen.“ Mutter Angelika H. sagt: „Wir haben Vanessa beobachtet, um 22 Uhr ins Bett gebracht. Uns fiel im Laufe des Abends nichts mehr Ungewöhnliches auf. Aber wir sind ja Laien.“ Jetzt entscheiden die Richter.

 

 

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