Zehn Jahre nach Gurlitt-Fund: Museum gibt Werke zurück

Vor knapp zehn Jahren machte die Staatsanwaltschaft in einer Schwabinger Wohnung einen Sensationsfund: Hunderte Kunstwerke wurden dort gefunden, teils wertvoll, teils von dubioser Herkunft. Und auch nach einem Jahrzehnt macht die Sammlung Gurlitt noch viel Arbeit.
Von Britta Schultejans, dpa |
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Das Namensschild von Cornelius Gurlitt ist an der Tür zum Haus von Gurlitt zu sehen.
Das Namensschild von Cornelius Gurlitt ist an der Tür zum Haus von Gurlitt zu sehen. © Barbara Gindl/APA/EPA/dpa/Archivbild
München/Bern

Fast zehn Jahre ist es jetzt schon her, dass die Staatsanwaltschaft in einer unscheinbaren Münchner Wohnung einen Sensationsfund machte: Hunderte Bilder, teils wertvoll, teils unter Raubkunst-Verdacht. Ein Jahr später machte die Sammlung von Cornelius Gurlitt weltweit Schlagzeilen.

Kurz vor dem Jahrestag dieser spektakulären Entdeckung gibt das Kunstmuseum Bern nun weitere Werke aus der umstrittenen Sammlung zurück - und stellt den kompletten Nachlass online. "Das Kunstmuseum Bern gibt das Eigentum an Werken mit ungeklärter Provenienz auf", teilte das Museum am Freitag mit.

Zwei Werke von Otto Dix sollen an die Erben der ursprünglichen Besitzer restituiert werden. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um die Aquarelle "Dame in der Loge" und "Dompteuse", beide aus dem Jahr 1922.

Die "Taskforce Schwabinger Kunstfund", die eingerichtet wurde, um die Gurlitt-Werke zu untersuchen, habe zwar "zu keinem abschließenden Ergebnis" geführt. Dennoch solle nun die Rückgabe an die Erben der früheren Besitzer erfolgen.

Fünf weitere Bilder will das Museum der Bundesrepublik Deutschland übergeben. Bei ihnen fehlen nach Museumsangaben zwar "Beweise für NS-Raubkunst", sie zeigten aber Hinweise darauf oder "auffällige Begleitumstände". 22 weitere Werke, auf die das ebenfalls zutreffe, sollen zunächst in Bern bleiben und dort weiter erforscht werden.

Anfang 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg Hunderte Werke in Gurlitts Schwabinger Wohnung beschlagnahmt. Ein Jahr danach wurde der Fund öffentlich und sorgte für Aufsehen und eine hitzige Debatte über den Umgang mit von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken in Deutschland. Denn Gurlitts Vater Hildebrand war einer der Kunsthändler Adolf Hitlers.

Nachdem der Fund bekannt geworden war, wurde sogar noch weitere Kunst in Gurlitts Salzburger Haus gefunden. Das Konvolut umfasst insgesamt rund 1600 Werke. 14 Werke aus der Sammlung - von Künstlern wie Henri Matisse, Max Liebermann, Thomas Couture oder Adolph von Menzel - konnten bislang eindeutig als NS-Raubkunst identifiziert werden.

Als Gurlitt 2014 im Alter von 81 Jahren starb - ohne seine geliebten Bilder noch einmal gesehen zu haben -, vermachte er seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern, das nun jahrelang daran geforscht hat.

2017 wurde am Kunstmuseum Bern dann eine Abteilung für Provenienzforschung eingerichtet. Seit 2017 erforscht sie die Werke des Konvoluts, die von den Nationalsozialisten als sogenannte "Entartete Kunst" diffamiert wurde. Seit 2019 arbeitet das Museum mit der Forschungsstelle "Entartete Kunst" an der Universität Hamburg zusammen.

Mit der Bundesrepublik einigte sich das Museum nach Bekanntwerden des Testamentes auf eine sogenannte Provenienzampel, die die Werke je nach Raubkunst-Verdacht per Farbcode einordnet. An "roten" Kunstwerken, die als NS-Raubkunst identifiziert werden konnten, hat das Kunstmuseum Bern das Eigentum schon aufgegeben.

Jetzt folgen die aus der vom Museum neu formulierten Kategorie "Gelb-Rot". Für diese gilt nach Museumsangaben: "Die Provenienz zwischen 1933 und 1945 ist nicht abschließend geklärt, sie weist Lücken auf."

Das Museum hat den gesamten Nachlass Gurlitt neu dokumentiert und in eine Online-Datenbank gestellt, in der auch alle neuen Forschungsergebnisse veröffentlicht werden sollen. Für Herbst 2022 ist eine umfangreiche Ausstellung zum Nachlass Gurlitt geplant, wie das Museum mitteilte.

"Der Umgang mit dem Erbe von Cornelius Gurlitt war und ist für das Kunstmuseum Bern eine riesige Herausforderung", sagte Museumsdirektorin Nina Zimmer. "Wir haben noch viele weitere Aufgaben vor uns."

© dpa-infocom, dpa:211210-99-329640/4

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4 Kommentare
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  • Giesing am 10.12.2021 19:23 Uhr / Bewertung:

    @Rottal: es handelte sich um weit über 1.000 Kunststücke. Nun werden zwei gemäß der Regeln für Museen zurückgeben. Bei Privatpersonen gilt meines Wissens immer noch der gutgläubige Erwerb.

  • Giesing am 10.12.2021 14:32 Uhr / Bewertung:

    Ein absoluter Skandal. Dem Mann wurden seine Bilder weggenommen und bei fast allen hatte sich herausgestellt, dass er sie rechtmäßig besessen hat. Eine Hexenjagd auf einen alten Herren, der sich nichts zu Schulden kommen lassen hat. Hätte er länger gelebt, wäre er nicht nur weiter in die Öffentlichkeit gezogen worden, er hätte sich nun auch einen teuren Sicherheitsdienst leisten müssen. Die ganze Welt wusste auf einmal, welche Werte dort lagen. Traurigerweise hat ihn keine Partei politisch unterstützt. Das System hat in meinen Augen versagt.

  • am 10.12.2021 15:42 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Giesing

    Haben Sie den Artikel gelesen und auch verstanden? Ich möchte Gurlitt gar nicht unterstellen das er ein böser, habgieriger Mensch war. Vermutlich eher ein harmloser Kauz. Als renommierter Kunsthändler (Vater war zudem Hitlers Kunsthändler) kann er wohl nicht so ganz ahnungslos gewesen sein was die Herkunft zumindest einzelner Stücke angeht.

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