Zahlen nach Stadtviertel: der Münchner Schulden-Atlas

Die Zahl der verschuldeten Münchner steigt, vor allem die schweren Fälle werden immer mehr. Bei Frauen und Erwachsenen unter 30 steigt die Gefahr. Und weil auch 50- bis 59-Jährige oft Schulden haben, droht in einigen Jahren verstärkt Altersarmut
München - Am Diridari fehlt es den Münchnern nicht, heißt es, schon allein, weil sie sich diese Stadt sonst ja gar nicht leisten könnten. Doch viele leisten sich auch zu viel: 94 993 erwachsene Münchner sind verschuldet. Das sind 1644 mehr als noch im letzten Jahr. Immer mehr Münchner stehen in der Kreide – im Schnitt mit etwa 32 500 Euro.
Das meldet Creditreform, eine Wirtschaftsauskunftei, die jährlich mit Hilfe offizieller Einträge erhebt, wie verschuldet die Deutschen sind. Im Schuldneratlas sind auch detaillierte Daten für München zu finden. Die AZ stellt Ihnen hier die wichtigsten Ergebnisse vor.
Die Zahl der Schuldner in München steigt. Gleichzeitig sinkt aber die Schuldnerquote, also der Anteil der Schuldner an der Stadtbevölkerung. Das liegt daran, dass der Zuzug nach München größer ist als der Zuwachs an Schuldnern. Und es zieht meistens nicht gerade die Verschuldeten in die Landeshauptstadt.
Aktuell sind genau 8,01 Prozent der Münchner verschuldet. Die Mehrzahl davon ist kräftig verschuldet, was sich etwa durch mehrere gerichtliche Negativeinträge zeigt. Bei 53 189 Münchnern ist das der Fall. Teils sind die Schulden so immens, dass nur noch ein Neuanfang durch eine Privatinsolvenz möglich ist.
Schulden machen vor allem Männer – doch die Frauen holen auf
Männer sind häufiger verschuldet als Frauen – doch die Münchnerinnen holen auf, während die Überschuldung bei den Männern eher zurückgeht. Besonders alarmierend: Das Alter der Schuldner. Denn erstens gibt es immer mehr junge Erwachsene unter 30 Jahren, die sich verschulden. Und zweites ist die Verschuldung auch in der Altersgruppe der 50 bis 59 Jährigen hoch. Das könnte zu mehr Altersarmut in den kommenden zehn Jahren führen.
Die Schuldenlast ist nicht über die ganze Stadt gleich verteilt, es gibt Brennpunkte. Den größten Anteil an Schuldnern hat das Hasenbergl (15,41 Prozent), gefolgt von Berg am Laim (14,4 Prozent) und der Ludwigsvorstadt (13,28 Prozent). Am stärksten zugenommen hat die Schuldnerquote in Ramersdorf – um 0,32 Prozent. Das sieht wenig aus, täuscht aber wiederum, weil der Zuzug die Quote kleiner macht. Riem ist dagegen auf einem guten Weg: Die Schuldnerquote sank hier um 0,91 Prozent auf 11,16 Ptozent. Das ist immer noch viel, aber kein Vergleich mehr zum Jahr 2007. Da waren es 21,16 Prozent.
Am niedrigsten sind die Schuldnerquoten in Obermenzing (4,59 Prozent), Solln (5,15 Prozent) und Harlaching (5,18 Prozent). Ungewöhnlich hoch scheint die Verschuldung in der Altstadt zu sein (11,29 Prozent). Das liegt aber daran, dass hier wenige Leute leben, es aber Unterkünfte und Pensionen gibt, in denen Arme und Obdachlose untergebracht sind. Deshalb ist die Quote hier nicht sehr aussagekräftig.
Der Viertel-Vergleich zeigt auch: Die Schulden-Schere schließt sich. Lagen das Viertel mit den meisten und das mit den wenigsten Schuldnern 2007 bei der Quote noch 16,72 Prozent auseinander, so trennen sie jetzt nur noch 10,82 Prozent. Die beiden Extremviertel waren aber damals schon dieselben: das Hasenbergl und Obermenzing.
Schuld an der Schuld ist zum einen ein „Konsumrausch“, sagt Philipp Ganzmüller von Creditreform. Er hat nicht nur die Zahlen analysiert, sondern auch Umfragen unter Schuldnern machen lassen. Sein Eindruck: „Es war noch nie so aus der Mode zu sparen. Die Banken müssen wegen der niedrigen Zinsen Geld unters Volk bringen und die Menschen kaufen oft mehr ein, als sie sich dann tatsächlich leisten können.“
Beim Online-Shopping geben viele mehr Geld aus, als sie haben
Das sei auch ein wichtiger Grund dafür, dass die Zahl der weiblichen Schuldner steigt. „Frauen zwischen 35 und 55 Jahren sind die am stärksten wachsende Schuldnergruppe“, sagt Ganzmüller. „Und diese verschulden sich vor allem beim Onlinekauf von Kleidung und Schuhen“. Das klingt wie ein Klischee, basiert aber laut Ganzmüller auf den Daten von Inkassounternehmen.
Die häufigsten Gründe für eine Überschuldung:
- Fehlende finanzielle Kompetenz: Nicht nur im Netz, auch in den Geschäften geben manche mehr aus, als das Vermögen hergibt. Ratenzahlungen und Kredite können einem aber schnell über den Kopf wachsen.
- Arbeitslosigkeit: Die ist in München relativ niedrig.
- Scheidung/Trennung: Kein gemeinsames Einkommen mehr, dafür zwei Haushalte und andere Mehrkosten: Vor allem in einer teuren Stadt wie München kann das zu Schulden führen.
- Krankheit: In einer alternden Gesellschaft ist das immer öfter der Grund für Schulden.
- Gescheiterte Selbstständigkeit: Nicht der häufigste Grund, aber wenn jemand an der Selbstständigkeit scheitert, dann geht es oft um sehr hohe Summen.
Es gibt aber auch spezielle Münchner Schuldenfallen, sagt Klaus Hofmeister vom Sozialreferat. Zum einen die hohen Mieten. Er berichtet von den Erfahrungen der Schuldnerberatungsstelle der Stadt (Mathildenstraße 3a, & 233-24353): „Von rund 9000 Münchnern, die wir pro Jahr in der Schuldnerberatungsstelle betreuen, haben etwa 4500 Probleme mit Mietrückständen“, sagt Hofmeister. „Das heißt, dass diese Bürger schon mindestens zwei Monatsmieten nicht bezahlen konnten.“ Der Wohnwahnsinn treibt also viele Münchner in den Ruin.
Zum anderen sind auch die stark gestiegenen Kosten für Strom und Heizung ein Problem. Klaus Hofmeister spricht dabei von „Energiearmut“. Im Prinzip geht es also wieder ums Wohnen, aber eben auch um die stark gestiegenen Nebenkosten.
Immerhin: Bundesweit gesehen steht München recht gut da – mit der niedrigsten Schuldnerquote aller Landeshauptstädte. In Wiesbaden (16,27 Prozent) und Saarbrücken (16,18 Prozent) ist der Anteil der Schuldner mehr als doppelt so hoch.
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