Wüstenkrieger aus Neuperlach

München - Kaum begonnen, schon unterbrochen. Das Landgericht in München kam gerade noch dazu, die Anklage verlesen zu lassen, da musste der Prozess gegen einen angeblichen Islamisten schon wieder unterbrochen werden.
Der Grund: Anwalt Adam Ahmed hält die Gesetzesgrundlage der Vorwürfe, den neuen Paragrafen 89a, für verfassungswidrig – weil zu unbestimmt und in der Strafandrohung (sechs Monate bis zehn Jahre) für unverhältnismäßig. Er beantragte die Aussetzung des Verfahrens bis zur Klärung dieser Frage seitens des Bundesverfassungsgerichts.
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Zuvor hatte Staatsanwalt Florian Weinzierl immerhin noch die Anklage verlesen können. Darin wird dem 27-jährigen Münchner Samir A. vorgeworfen, versucht zu haben, nach Syrien zu reisen, um sich dort zum Gotteskrieger des Dschihad ausbilden zu lassen. Weinzierl geht davon aus, dass sich der Angeklagte „einer Gruppierung anschließen wollte, die sich am syrischen Bürgerkrieg beteiligt“.
Weit kam der Angeklagte nicht
Er habe vermutlich in ein Terror-Camp der radikalislamistischen Al-Nusra-Front gewollt. Das erfülle den Straftatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Und das obwohl Samir A. nicht besonders weit kam.
Bei einem ersten Versuch war er zwar am 24. Juni 2015 in die Türkei geflogen. Der Grenzübertritt nach Syrien gelang ihm aber nicht. Er flog unverrichteter Dinge zurück nach München.
Beim zweiten Versuch wurde Samir A. am Morgen des 10. Oktober am Münchner Flughafen festgenommen. Im Gepäck fand man unter anderem ein Wüsten-Outfit für Soldaten, zwei Mobiltelefone und 270 Euro Bargeld. Für die Ankläger wichtige Indizien.
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Samir A. lebte in Neuperlach, war aber zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitslos. Nach BR-Informationen war der junge Mann vom Amtsgericht einmal zu einer Jugendstrafe verurteilt worden. Er fiel wegen Körperverletzung, Raub und Betäubungsmitteldelikten auf.
"Abkürzung zum Paradies ist der Dschihad"
Vor ein paar Jahren soll er sich radikalisiert haben. Belege finden sich auch im Internet. So habe er unter anderem gepostet haben, dass „die Abkürzung zum Paradies der Dschihad ist“. Gegenüber den Ermittlern blieb Samir A. aber bislang stumm. Auch am Donnerstag erklärte er zum Prozessauftakt, dass er keine Angaben machen wolle.
Ermittler und Gericht betreten mit diesem Verfahren tatsächlich Neuland. Der Paragraf 89a, 2a war erst im Juni 2015 in Kraft getreten und soll verhindern, dass Islamisten zur Ausbildung in Terrorcamps ausreisen. Der Münchner Prozess ist einer der ersten auf der Grundlage des neuen Paragrafen.
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Die Landgerichtskammer unter dem Vorsitz von Norbert Riedmann lehnte den Antrag des Verteidigers dennoch ab. In der Fortsetzung berichtete dann ein Beamter des Landeskriminalamtes, dass sich Samir A. im Jahre 2013 dem Islam zugewandt habe. Kurz vor der Festnahme habe er auf Facebook gepostet: „Ich habe beschlossen zu sterben, um zu leben.“