Wolfgang Nöth in München beerdigt: Servus, Hallenkönig!

Die Tochter singt am Grab: Bewegender Abschied von Wolfgang Nöth, Münchens Nachtleben-Unikat.
von  Kimberly Hagen
Im Alter von 77 Jahren gestorben: Wolfgang Nöth.
Im Alter von 77 Jahren gestorben: Wolfgang Nöth. © imago/Lindenthaler

München - "Es tut mir leid für die Baubehörden, dass ich mit meinen Ideen schneller war als sie mit ihren Genehmigungen." Wolfgang Nöth (1943-2020).

Sonnenschein-Beerdigung am Nordfriedhof

Die Sonne strahlte wie lange nicht am Donnerstag am Nordfriedhof. Doch die Mienen der Gäste waren ernst, viele Augen glasig. München trauert um Hallen- und Nachtleben-König Wolfgang Nöth († 77, Nachtwerk, Terminal/Flughafen Riem, Kunstpark Ost, Optimolwerke, Postpalast, Kesselhaus, Zenith), der am 10. Januar nach kurzer schwerer Krankheit gestorben war (AZ berichtete) und nun beigesetzt wurde. Neben einem Schwarz-Weiß-Porträt von einem verschmitzt lächelnden Nöth standen in der Aussegnungshalle Rosenkränze und ein großer Davidstern.

Er kämpfte sich nach oben

Was viele nicht wussten: Nöth hatte seine jüdischen Eltern kurz nach seiner Geburt bei Würzburg verloren. Seine Mutter zerbrach an den Folgen der KZ-Haft, er wuchs im Waisenhaus und bei Pflegeeltern auf. Mit eisernem Willen, viel Kreativität und wenig Schlaf kämpfte er sich nach oben und prägte München, machte die Stadt cool, jung und modern.

Nur 25 Trauergäste durften kommen

Trauergäste wie Beppi Bachmaier (im Fraunhofer-Theater startete Nöth einst durch) und Konzertveranstalter Frank Bergmeyer waren sich einig: Wolfgang, der Hunderttausenden jungen und junggebliebenen Menschen die vielleicht besten Nächte ihres Lebens schenkte, wird fehlen. Die Beisetzung fand coronakonform statt - auch wenn er, der es mit Genehmigungen und Regeln nie so ernst genommen hatte, sich sicher nicht daran gehalten hätte. Nur 25 Trauergäste durften in der Aussegnungshalle dabei sein und den wie immer treffenden Worten von Alt-OB Christian Ude lauschen. Am Grab kamen auf Abstand noch einige Weggefährten dazu.

Er kam nie ins P1, arbeitete aber mit Käfer zusammen

Großer Gänsehaut-Moment: Nöths geliebte Tochter Laila, die als Musikerin arbeitet, sang drei Lieder für ihren Vater. Da hatte nicht nur Witwe Karin, die Wolfgang einst in der Apotheke liebengelernt hatte, Tränen in den Augen. Da es keinen Leichenschmaus geben durfte, erinnerten sich die Freunde im Freien nochmal an Wolfgang, den ideenreichen Macher. Er trank nie Alkohol, verabscheute Handys und Bankkontos, liebte den Club, Hardrock und Spiegeleier. Nöth war ein "Kontroll-Neurotiker", wie er sich bezeichnete, der gerne half - ob den Faltenbacher-Brüdern mit der Milchbar oder Till Hofmann mit dem Lustspielhaus. Nöth schaffte es zeitlebens nie ins P1 ("Die Türsteher halten mich für einen Hartz-IV-Empfänger") - und arbeitete dennoch mit Michael Käfer zusammen.  Nöths größtes Anliegen: Er wollte, dass in München was passiert. Dass sich Menschen treffen, amüsieren, tanzen, verlieben. Jetzt, im Stillstand, blieb auch sein Herz stehen.

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