Wohnungsnot: Neue Pläne für Senioren

Viele ältere Münchner würden ihre (zu) großen Wohnungen aufgeben, wenn die Stadt aktiver würde, glauben die Rentner-Vertreter. Der 6-Punkte-Plan von der Umzugshilfe bis zur Mietvertrags-Mitnahme.
von  Irene Kleber
Für eine kleine barrierefreie Erdgeschosswohnung würden viele Münchener Senioren große Wohnungen im Obergeschoss womöglich sehr gerne aufgeben – meinen zumindest Seniorenvertreter.
Für eine kleine barrierefreie Erdgeschosswohnung würden viele Münchener Senioren große Wohnungen im Obergeschoss womöglich sehr gerne aufgeben – meinen zumindest Seniorenvertreter. © dpa/az

München - Eine betagte Witwe, die in Neuhausen in einer 140-Quadratmeter-Wohnung alleine lebt. Nebenan eine fünfköpfige Familie, die auf 70 Quadratmetern kaum Platz hat für Betten, Schränke, Hausaufgaben-Schreibtische. Im Wohnwahnsinns-München? Ganz normal.

Denn Tausende ältere Münchner wohnen in Altbauten, die sie vor Jahrzehnten bezogen haben – damals mit Ehepartnern und einem Stall von Kindern. Nun sind sie allein, aber verwurzelt im Viertel. Und vor allem: Ihre Miete ist oft noch bezahlbar – dank eines uralten Mietvertrags. Als kürzlich der IG-Bau-Chef Robert Feiger forderte, Alte mögen doch bitte ihre großen Wohnungen räumen, damit junge Familien einziehen können (AZ berichtete), hat in München eine Gruppe besonders kräftig applaudiert: der Seniorenbeirat.

Denn bei den Rentner-Vertretern liegt längst ein Plan vor, der ein ähnliches Ziel hat: das „München-Projekt Wohnungstausch“. „Einige tausend große Wohnungen könnten frei werden“, ärgert sich Seniorenbeirats-Chefin Ingeborg Staudenmeyer (SPD). „Wenn nur die Stadtverwaltung beweglicher würde und man die alten Bewohner mit besonderen Anreizen gezielt ermuntern würde, über einen Umzug in eine kleine, aber dafür altengerechte Wohnung in der gewohnten Umgebung nachzudenken.“ Das würde älteren Münchnern einen verfrühten Umzug ins Heim ersparen – und mehr Luft schaffen für junge Familien.

Der Weg dorthin? Aus der Sicht der Seniorenvertreterin ganz einfach: Allein die städtischen Wohngesellschaften Gewofag und GWG besitzen 50 000 Wohnungen in München – mit teils sehr altem Bestand. „Wenn dort eine kleine Erdgeschosswohnung frei wird, schaut man, wo in der Anlage ein alter Mensch allein in einer großen Wohnung in einem oberen Stockwerk wohnt und bietet ihm gezielt die kleine Wohnung an, samt Hilfe beim Umzug und besseren Konditionen.“ 2012 hat das Sozialreferat (zuständig für die Wohnungsvergabe) eine "Wohnungstausch"-Idee der SPD-Stadtratsfraktion mit dem Hinweis auf komplizierte Vergaberichtlinien abgebügelt.

Wie teuer ist München? - Die Mieten in den Vierteln

Im September legte die Münchner Senioren-Lobby selbst einen Katalog an Anträgen vor, „um den Wohnungstausch älterer Bewohner zu fördern“. Passiert? „Ist gar nichts“, schimpft Staudenmeyer. „Ich frage mich, wie lange dieses Thema noch verschleppt wird.“

So sieht die Vorschlagsliste der Seniorenvertreter aus:

1. Billige Miete mitnehmen

Zieht ein Senior aus seiner großen Wohnung bei einer der städtischen Wohngesellschaften in eine kleine um, darf er seinen billigen Quadratmeter-Mietpreis mitnehmen. Die Kaution für die neue Wohnung darf nicht teurer sein als die, die für die alte hinterlegt wurde. „Nur so gibt es einen Anreiz für die Senioren, umzuziehen“, sagt die Beirats-Chefin.

2. Öffentliches Register für Seniorenwohnungen

Die Stadt München legt ein Register über barrierefreie altengerechte Wohnungen an – sowohl für die städtischen als auch die öffentlich geförderten (Genossenschafts)-Wohnungen. Darin: Detailangaben zu Lage und Ausstattung. Das Register soll öffentlich zugänglich sein. „Keiner bei der Stadt hat einen Überblick“, glaubt Staudenmeyer. „Das erschwert die Vergabe erheblich.“

3. Vor dem Umzug: Umbauen!

Bevor der alte Mensch umzieht, baut die Stadt die neue kleine Wohnung barrierefrei und altengerecht um. Staudenmeyer: „So kann der alte Mensch möglichst lang zu Hause wohnen, und muss nicht so schnell ins Heim.“

4. Den Umzug zahlt die Stadt

Viele, gerade ärmere alte Menschen scheuen die Umzugs-, Entrümpelungs- und Maler-Kosten bei einem Auszug, argumentiert Staudenmeyer. Praktische und handwerkliche Hilfe sollen die Senioren außerdem bei den Sozialbürgerhäusern bekommen.

5. Wer Fördergelder bekommt, muss Wohnungstausch erlauben

Wer mit Hilfe öffentlicher Gelder Wohnungen baut, muss ein Kontingent aus altengerechten Wohnungen einplanen. Und seinen Mietern auch künftig Wohnungstausch erlauben – unter Mitnahme der günstigeren Miete.

6. Differenzmieten zahlt die Stadt

Falls die Miete der neuen kleinen, barrierefreien Wohnung doch teurer ist als die der alten großen (etwa bei einem privaten Vermieter), zahlt die Stadt die Differenz – beispielsweise aus Stiftungsmitteln.

„Wir wünschen uns, dass die Stadt sich von ihrem Vergaberegelwahnsinn und dem Bürokratie-Schubladendenken verabschiedet und schnelle, praktische Lösungen zulässt“, sagt die Seniorenbeirätin. Und kündigt schon mal an: „Dieses Thema ist zentral für München. Da bleiben wir dran.“

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