Wohnungsnot: Jetzt wird's richtig eng

213 000 Neumünchner muss die Stadt bis 2030 unterbringen. Bloß wo? Durch Verdichtung, Aufstockung sowie Neubauten gibt’s 78 000 Wohnungen – zu wenig.
München - Der starke Zuzug ist die größte Herausforderung Münchens. Die Prognose musste nochmal nach oben korrigiert werden und geht jetzt davon aus, dass 213 000 neue Einwohner bis zum Jahr 2030 dazukommen. Doch wo sollen sie leben?
Mit dem Projekt „Langfristige Siedlungsentwicklung“, kurz „LaSie“, sucht die Stadt Antworten auf diese Münchner Schicksalsfrage. Die erste Phase ist bereits abgeschlossen. Der Planungsausschuss des Stadtrats hat sich gestern mit den Zwischenergebnissen und dem weiteren Vorgehen befasst. Ein Überblick.
DIE AUSGANGSLAGE
Das Grundproblem liegt auf der Hand. Der Stadt geht der Platz aus. Die Flächenreserven reichen noch für den Bau von rund 54 000 Wohnungen. Zugleich gehen die Planer aber davon aus, dass bis 2030, also in den nächsten 17 Jahren, 122 000 neue Wohnungen gebaut werden müssen, um dem Einwohnerzuwachs zu begegnen. Zusätzliche 30 000 Wohnungen sind als Ersatz für Abriss-Objekte einkalkuliert. Selbst wer sich mit dem Rechnen schwer tut, sieht auf einen Blick: Das geht sich hinten und vorne nicht aus.
DIE GUTACHTEN
Was also tun gegen den absehbaren Engpass? Das Planungsreferat hat dazu mehrere Strategien gutachterlich untersuchen lassen und auch selbst geprüft:
Die Umstrukturierung von Gewerbegebieten. Devise: Wohnungen statt nur Büros.
Die Nachverdichtung bestehender Wohnquartiere – von den Gartenstädten über Siedlungen mit Geschosswohnungsbau bis zur Innenstadt.
Die Siedlungsmöglichkeiten am Stadtrand.
Zwischen dem, was die Gutachter ermittelt haben und dem, was die Stadt für tatsächlich machbar hält, gibt es eine große Kluft. Beispiel Nachverdichtungen: Die Gutachter haben sich mittels Modellrechnungen mal angeschaut, was theoretisch an Potenzialen da wäre. Und kommen auf fantastische Zahlen. Demnach wären bis zu 380 000 zusätzliche Wohnungen drin. Alleine durch Nachverdichtungen, wobei die Hälfte dieser neuen Bleiben den Gutachtern zufolge in die Gartenstädte hineingebaut werden könnte – also in Einfamilien- und Doppelhausgebieten. Das Planungsreferat hält solche Zahlen jedoch offenkundig für unrealistisch, auch weil sie die „Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer“ als „sehr fraglich“ einstuft.
DIE ERGEBNISSE
Die Stadt kommt nach einer Bewertung daher auch zu gänzlich anderen, viel niedrigeren Zahlen. Das größte Potenzial sieht das Planungsreferat noch in der Verdichtung von Wohnsiedlungen der 50er bis 80er Jahre. Dort könnten, so eine vorläufige Schätzung der Behörde, in den nächsten 17 Jahren 6000 bis 9000 zusätzliche Wohnungen entstehen.
Weiter setzt die Stadt zur Lösung der Engpässe auf den Nordosten, wo ein neuer Stadtteil entstehen soll (AZ berichtete). Dort sehen die Planer die Möglichkeit, bis zu 7000 Extra-Bleiben zu bauen – über jene hinaus, die der Flächennutzungsplan eh vorsieht.
Und dann sind da eben noch die Umstrukturierungen in Gewerbegebieten, an denen auch die Immobilienwirtschaft großes Interesse zeigt. Dort erhofft sich das Planungsreferat ein Potenzial von bis zu 8000 zusätzlichen Wohnungen bis 2030.
Freilich setzt München auch auf Kooperationen mit dem Umland, um den starken Zuzug zu bewältigen.
DIE PERSPEKTIVE
All das ändert aber nichts am Problem der reinen Mangelverwaltung. Selbst wenn man alle eben genannten Ansätze zusammenrechnet, kommt man auf eine Zahl von höchstens 24 000 zusätzlichen Wohnungen bis zum Jahr 2030. Plus Flächenreserven landet man bei 78 000 Einheiten. Die Stadt geht davon aus, diese Summe schaffen zu können. Dem steht aber ein Bedarf an 122 000 neuen Bleiben gegenüber. Deshalb nannte Grünen-Rätin Sabine Krieger die Beschlussvorlage gestern auch „ein bisschen enttäuschend“.
In der Sitzung ließ sich das Planungsreferat auf jeden Fall erst einmal 28 neue Arbeitsstellen absegnen, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen.